Konzertkritik:Beziehungszauber

Anja Harteros und die Münchner Philharmoniker

Von Klaus P. Richter

Bei Tschaikowskys Fantasie "Francesca da Rimini" kann man sich aussuchen, ob sie von Wagners "Ring" oder einer sündigen Liebestragödie aus Dantes "Göttlicher Komödie" inspiriert war. Valery Gergiev jedenfalls heizte diese Programm-Nervenmusik in der Philharmonie mit ihren grellen bis schauerlichen Blechbläserchören, den Tritonus-Schärfen und ihren e-Moll Fahlheiten zu einer Theatralik jenseits allen romantischen Luxusklangs auf. Und die Münchner Philharmoniker taten ihr Bestes für das dramatische Pathos. Da war dann die tristaneske Schwüle der "Wesendonck-Lieder" eine ganz andere Beschwörung von Liebe und Wagner. Anja Harteros, die im kommenden Sommer ihr Debüt in Bayreuth geben wird, verwandelte Richard Wagners sündige Erosmeditationen zwischen Schwüle und Traum mit ihrem leuchtenden Sopran zur mondänen Glorie. Dabei konnte man nicht nur die geniale Instrumentierung durch Wagner-Adept Felix Mottl bewundern, der diese intime Klavierlyrik ins Genre des großen Orchesterlieds transformiert hat, sondern auch Valery Gergievs perfekte Balancekunst zwischen Singstimme und Orchesterklang. Damit erschuf er einen Beziehungszauber, der im chromatischen Rankenwerk des dritten Liedes, "Im Treibhaus" seine stärkste Magie entfaltete.

Danach bewies der Chefmaestro der Philharmoniker, dass er jenseits von Prokofjew und Schostakowitsch auch bei Brahms den richtigen Tonfall trifft. Großartig gelang es ihm, das eigene Ambiente der dritten Sinfonie zwischen verinnerlichter Nachdenklichkeit und lyrischem Pathos, rhapsodischem Auffahren und kammermusikalischer Idyllik zu erschaffen. Er spitzte zwar, vor allem im gewichtigen letzten Satz, die Umschwünge mit Leidenschaft zu, schärfte alle Forte-Ausbrüche und Themengestalten, scheute weder Tempovariationen noch Posaunen-Bombast, erweckte aber auch die Poesie der Bläseridyllik im Andante und die versonnene Liedintimität im Allegretto.

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