Konzertante Aufführung:Vergessener Schatz

Das Rundfunkorchester spielt eine Oper von Charles Gounod

Von Klaus Kalchschmid

Vor drei Jahren sorgte Charles Gounods Oper "Cinq-Mars" aus dem Jahr 1877 in konzertanter Aufführung mit dem Münchner Rundfunkorchester für Furore und erschien in opulenter, edler Ausstattung dank "Palazzetto Bru Zane", dem Zentrum für französische Musik der Romantik in Venedig, auch auf CD. Unmittelbar danach (1878-1880) entstand die Zweitfassung von Gounods grandioser letzter Oper "Le tribut de Zamora", die jetzt zum 200. Geburtstag des Komponisten im Juni eine nicht minder glanzvolle Wiederentdeckung im Prinzregententheater erlebte. Kaum zu glauben, dass nicht wenigstens einzelne der kostbaren Nummern einer gleichwohl fast durchkomponierten Oper im Konzert überlebte.

In der liebt Xaïma den Soldaten Manoël, der aber auch von Ben Saïd, dem Gesandten des Kalifen, begehrt wird. Xaïma zählt zu den hundert Jungfrauen, die nach dem Sieg der Mauren über die Spanier im Jahr 999 alljährlich als Tribut eingefordert werden. Sie wird von Ben Saïd gekauft, der den mitbietenden Manoël mit einer exorbitanten Summe aussticht. Der junge Soldat und Xaïma wollen darauf gemeinsam in den Tod gehen, doch die umnachtete Hermosa erweist sich als Mutter Xaïmas und tötet Ben Saïd. Weil der Koran Wahnsinnige als heilig schützt, wird sie verschont und alle preisen die Allmacht Gottes.

Ob feines Lokalkolorit, zündende nationalpatriotische Hymnen und Märsche, große Arien wie die ausdrucksvolle Kavatine Manoëls zu Beginn des 4. Akts oder die Romanze Ben-Saïds, Duette wie die Erkennungsszene von Mutter und Tochter, erregte Terzette, ein gewaltiges Ensemble, das mit der Versteigerung Xaïmas dramatisch effektvoll und spannungsgeladen den zweiten Akt beschließt, oder die dramatische Zuspitzung des Geschehens am Ende: Gounods musikdramatischer Instinkt, seine elegante Instrumentation und eine bestechende, immer glutvollere Melodik, die sich oft zu außergewöhnlicher Innigkeit und Schönheit entfaltet, machen "Le Tribut de Zamora" zum endlich wiederentdeckten Meisterwerk, das keineswegs im Schatten von "Faust" und "Roméo et Juliette" stehen müsste.

Großartig auch die Sänger: die glanzvolle Mezzosopranistin Jennifer Holloway als heimliche Hauptfigur Hermosa und - als ihre Tochter Xaïma - Judith van Wanroij mit gehaltvoll lyrischem Sopran, dem auch der dramatische Ausbruch gelang, sowie Edgaras Montvidas als ihr geliebter Manoël mit schlankem Tenor. Tassis Christoyannis als sein fürstlicher Rivale gestaltete mit flexiblem, warmem Bariton die Licht- und Schattenseiten seiner Figur, wie auch Bariton-Kollege Boris Pinkhasovich als sein Bruder Hadjar nicht weniger überzeugte. Juliette Mars, Artvazd Sargsyan und Jérôme Boutillier gaben auch den Nebenrollen ein plastisches Profil, wie auch der Chor des Bayerischen Rundfunks vielfältige Aufgaben bravourös bewältigte.

Hervé Niquet hatte am Pult des Rundfunkorchesters die Fäden immer souverän in der Hand und vermochte den Reichtum der Partitur trotz oftmals großer Lautstärke immer rund, plastisch und differenziert klingen zu lassen.

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