Konzert:Zukunftsmusik

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Der letzte Trautoniumvirtuose: Peter Pichler hier vor seinem Instrument bei einer Australientour im April. (Foto: oh)

Begleitet vom Ensemble New Babylon spielt Peter Pichler neue Stücke für ein fast vergessenes Instrument, das Trautonium

Von Jürgen Moises

Hindemith, Hitchcock und Hitler. Drei große Namen, die die Geschichte des Trautoniums geprägt haben. Paul Hindemith war der erste, der Kompositionen für das 1929 von Erich Trautwein zusammen mit Oskar Sala entwickelte, elektronische Instrument schrieb. Wie etwa die sieben Stücke "Des kleinen Elektromusikers Lieblinge". Alfred Hitchcock hat das Trautonium 1930 im Berliner Rundfunk gehört. Als er dann Anfang der 60er seinen Film "Die Vögel" drehte, beauftragte er Remi Gassmann und Oskar Sala, mit dem Trautonium künstliche Vogelstimmen und andere Geräuscheffekte zu kreieren. Und Hitler? Unter dessen Nazi-Herrschaft wurde das Trautonium als "entartet" verboten. Ähnliches galt für einen Großteil der Musik von Hindemith, der deshalb 1938 mit seiner Frau aus Deutschland floh.

Nun kann man sich fragen: Was wäre ohne die Nazis geschehen? Hätte sich das Trautonium, das mit seiner ungewöhnlichen, subharmonischen Klangästhetik als Vorläufer des Synthesizers gilt, zu einem populären Instrument entwickelt? Oder wäre es trotzdem kaum bekannt? Tatsächlich erwiesen sich die 200 "Volkstrautonien", die Telefunken herausbrachte, schon in den 30ern als Flop. Wohl weil sie für viele zu teuer waren. Auch die Soundtracks zu Filmen wie "Die Vögel" (Sala hat an fast 500 Filmen mitgewirkt) haben zu keinem Trautonium-Hype geführt. Vielleicht, weil es noch immer seiner Zeit voraus war? Dem Instrument eine weitere Chance zu geben, dafür setzt sich der Münchner Peter Pichler seit Jahren ein. Als vermutlich letzter Trautonium-Virtuose tritt er an diesem Montag im Einstein Kultur auf.

Begleitet wird Pichler, der Ende der 90er noch von Oskar Sala in die Geheimnisse des Trautoniums eingewiesen wurde, vom Ensemble New Babylon aus Bremen. Geleitet vom spanischen Dirigenten Lorenzo Ferrándiz spielen sie Stücke, die von Dganit Elyakim aus Israel, Snežana Nešić aus Serbien und Alexander F. Müller aus München neu geschrieben wurden. Mit "Die vergangene Zukunft des Klangs - heute" ist das Programm überschrieben, das am Samstag in Bremen seine Premiere hatte und als losen Hintergrund die Tatsache hat, dass sich der Beginn des Zweiten Weltkriegs zum 80. Mal jährt. Inhaltliche Vorgaben gab es aber nicht für die Kompositionen, die sich mit den Themen Aussterben, Traurigkeit und Plagiat beschäftigen.

Die Initiative für das Konzert ging vom Ensemble New Babylon aus. Was Pichler sehr freut, wie er erzählt. Denn dass sich andere Musiker für das Trautonium interessieren und Komponisten neue Stücke dafür schreiben, passiert doch eher selten. Ergänzend werden am Abend drei Trautonium-"Klassiker" von Hindemith und Harald Genzmer aufgeführt. Sie alle zeigen die Bandbreite des Instruments, das in dem Fall ein Nachbau des im Deutschen Museum befindlichen Original-Trautoniums von Oskar Sala ist. Wie es funktioniert? Über eine elektrisch aufgeladene Metallschiene wird mit den Fingern Druck ausgeübt und ... ach, das lässt man sich am besten von Pichler in der Konzertpause erklären.

Peter Pichler & Ensemble New Babylon , Mo., 16. Sep., 20 Uhr, Einstein Kultur, Einsteinstr. 42

© SZ vom 16.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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