Konzert:Zeit nehmen

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Bass, Gitarre, Gesang - mehr brauchen Textor & Renz für ihren von Amerika inspirierten Sound nicht. Im Vereinsheim stellen sie ein neues Album vor

Von Christian Jooß-Bernau

Man könnte meinen, der Song sei seit einer Weile stehen geblieben, hätte einfach aufgehört, die Beine zu bewegen. Und dann geht es doch noch ein Stückchen weiter. Und noch eins. Und dann ist's vorbei. "How To End" heißt die Nummer. Aber sie ist nicht die letzte auf dem Album von Textor & Renz. Nein, "Will You Have Me" zum Ausklang ist vergleichsweise von einer Beschwingtheit, dass man glatt rhythmisch mit dem Kopf nicken möchte. Es dauert etwas, bis sich der Ruhepuls des Hörers dem Tempo dieser Aufnahmen genähert hat. Aber man hat ja Zeit.

Von Mitte der Neunzigerjahre an war Textor unterwegs mit Kinderzimmer Productions, einer Ulmer Hip-Hop-Gruppe, die sich als feingeistige Sample-Sucher und durch Wortwitz auf der Metaebene hervortaten. Der Solo-Textor landete 2012 beim Münchner Label Trikont, wo er mit "Schwarz Gold Blau" ein Album veröffentlichte auf dem er Deutschland suchte und auf dem Parkplatz vom Schlecker fand. Musikalisch wollt er da schon gar nicht mehr wissen, wo der Hip-Hop endet und minimalistischer Jazz anfängt.

Seit neun Jahren macht Henrik von Holtum, der Textor, Musik mit Holger Renz - er spielt vorzugsweise Kontrabass und singt, und Renz spielt Gitarre. Entweder akustisch oder E-Gitarre, puristisch, angezerrt und mit Federhall und dann und wann mit dem Tremolohebel in Schwingung versetzt. "The Days Of Never Coming Back And Never Getting Nowhere" heißt ihr neues Album, erschienen bei Trikont. Wer die Wurzeln dieses Sounds sucht, darf hinabsteigen bis zu Gene Vincent, Luther Perkins, den Shadows. Dorthin, wo sich Country und Rockabilly noch nicht scharf trennen ließen. Textor und Renz aber sind keine Restauratoren, sie sind Musiker, die sich, als wäre der Sound von einst nicht verdammt auf ewig digital zu existieren, an eine Klangidee noch ganz analog erinnern und sie mit ihren Mitteln und viel Ruhe neu schöpfen.

Weggelassen haben sie alles bis auf die tragenden Balken der Musik. "Boom Clack" heißt die zweite Nummer. Sie braucht nicht viel mehr als Boom und Clack - ein Bassriff das nur aus einer Note besteht, zur Steigerung eine minimale Rhythmusforcierung und als Höhepunkt ein kurzes atonales Gitarrensolo. Textor singt dazu von Liebe, Freundschaft, Betrug. Schon öffnet sich der Himmel, ein verschlingendes Loch, und das Leben steht in Frage. Textor hat die Songs geschrieben, auch den mit dem Mädchen, das nach Zimt riecht. Sie ist so schön, dass man ihr das Lächeln nicht glaubt und der Sänger ihr anbietet, nun einmal einen Fehler zu machen. Zusammen mit ihm. Man kann Lieder soweit vereinfachen, bis sie komplex werden. Man muss sich nur etwas anstrengen, dass es mühelos wirkt.

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Zwei Coversongs finden sich unter den neun Nummern. "Thirteen" von Big Star, ein Lied, das 1972 nicht der Superhit wurde, das es ist. Im Original so überwältigend, dass man ihn riecht, den Sommertag einer Kindheit, als alles möglich war. Hier aber reichen Textor & Renz mit ihrer Kunst der Langsamkeit nicht heran. So bleibt der Song schöne Erinnerung. Ein Gewinn dagegen ist die eigentlich viel bekanntere Nummer: Little Feats "Willin'". Mit Gras, Wein und auf Amphetamin von Tucson nach Tucumcari und von Tehachapi nach Tonapah. Man muss schon verdammt cool sein und ein Gefühl für den Motor haben, um mit diesem Trucker-Gefühl gleichzuziehen. Textor und Renz lehnen sich im Sitz zurück, legen den ersten Gang ein und rollen an, ganz sanft. Ein Lied wie ein Sattelzug.

Textor & Renz ; Donnerstag, 18. Januar, 19.30 Uhr, Vereinsheim, Occamstraße 8

© SZ vom 18.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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