Süddeutsche Zeitung

Konzert:Wild war gestern

"Metallica" schlägt im Olympiastadion leisere Töne an

Von Melanie Staudinger

Als Kirk Hammett und Robert Trujillo auf dem langen Bühnensteg nach vorne kommen, wissen die wahren Fans schon, was jetzt kommen wird. Es ist Zeit für ein wenig Lokalkolorit. In Wien coverte Metallica "Skifoan" von Wolfgang Ambros, in Köln stand "Viva Colonia" auf dem Programm und in Berlin versuchten sie sich an Rammsteins "Engel". Vergangenes Jahr lief "Skandal im Sperrbezirk" beim Gastspiel in München. Und an diesem Freitagabend? Kommt wieder die Spider Murphy Gang, dieses Mal mit "Schickeria". Es ist gar nicht so einfach, ein Lied einer Münchner Band zu finden, das die Menge mitgrölen kann: Amon Düül vielleicht, die Rockband aus den Sechzigern, oder Freddy Mercury, der kein originärer Münchner war, hier aber legendäre Nächte verbracht hat? Egal, den Fans im ausverkauften Olympiastadion gefällt "Schickeria".

Metallica sind nun schon seit fast vier Monaten in den großen Stadien Europas unterwegs, und machten nun als vorletzte Station Halt in München. Die Bedingungen stimmen: Es hat nach Tagen endlich aufgehört zu regnen und das Olympiastadion ist mit 69 000 Zuschauern ausverkauft. Viele Fans kommen in bester Feierlaune - und werden erst einmal enttäuscht. Wer nur einen normalen Stehplatz für rund 100 Euro ergattern konnte, sieht nämlich kaum zur Bühne. Davor stehen mehrere Tausend Menschen, die sich die teureren Tickets "Front of Stage 1 und 2" geleistet haben. Heute darf nicht mehr der nah zur Band, der zuerst kommt, sondern der, der am meisten zahlt. Doch bei den Vorbands Bokassa und Ghost deutet sich schon an, was sich später bei Metallica als Problem herausstellen sollte: Für das große Olympiastadion ist die Musik zu leise.

Um kurz vor halb 9 gehen die Lichter aus - und die Smartphones der Fans an: Fünf riesige Leinwände, eingerahmt von einem M und einem A, ragen in den Himmel. Ein paar Videosequenzen, eine kleine Lichtshow und ein bescheidenes Feuerwerk am Ende - mehr brauchen James Hetfield, Lars Ulrich, Kirk Hemmett und Robert Trujillo nicht. Ihre Musik steht für sich. Routiniert spielen sie "Hardwired", "Moth into the Flame", "Spit out the Bone" und "Here comes the Revenge" vom aktuellen Album. Dazwischen kommen Songs aus der fast 40-Jährigen Band-Geschichte. Material haben die Vier genug: "The Unforgiven", "Master of Puppets", "Seek & Destroy", "Creeping Death", "Nothing Else Matters" oder auch "Enter Sandman". Da ist für jeden etwas dabei. Metallica kommt gerne nach München, das betonen die Musiker mehrfach. Und extra für ihr Münchner Publikum spielt die Band zum ersten Mal seit zwei Jahren "The Call of Ktulu", ein monumentales Instrumentalstück, das die Fans neun Minuten lang erleben dürfen.

Ein Wermutstropfen aber bleibt: Die Musik hätte gerne viel lauter sein dürfen. So wirkt der Auftritt stellenweise eher wie eine Art friedliches Familientreffen statt der wilden, düsteren Show, die man von einer Thrash-Metal-Band erwarten würde. Die spendet nach ihrem Auftritt gar 67 000 Euro an die Initiative "Horizont" von Jutta Speidel.

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Quelle:
SZ vom 26.08.2019
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