Das Cover des neuen Albums ziert ein Ford Mustang Shelby GT Baujahr 1967. Im Zuge der anbrechenden Elektromobilität vielleicht nicht mehr ganz zeitgemäß, aber symbolisch genug: Kraftvoll, elegant und mit Sinn für das gute Alte soll es zugehen auf "The Rescue", so der Titel des Albums. Gerettet werden soll nichts weniger als Blues und Soul, der Mann, der dazu unterwegs ist (und das an diesem Mittwoch in der Freiheizhalle), heißt San2, bürgerlich Daniel Gall, stammt aus Ingolstadt und lebt nach einigen internationalen Stationen in München. Das PS-starke Titelbild hat er selbst ausgesucht, und auch die Details sind ihm wichtig: "Ich habe den Schatten auf dem Boden nicht rausgeschnitten, man soll schon sehen, dass die Power auch Bodenhaftung hat", sagt er.
Der Mann ist vom Fach: Schon den Künstlernamen San2 hat Gall aus seiner Jugendzeit als Graffiti-Sprayer, und sein erlernter Beruf ist der des Grafikdesigners. Alle seine Alben hat er dementsprechend selbst gestaltet, eine schöner Synergie- Effekt seiner beiden größten Leidenschaften. Die für die Musik hat sich schon früh entwickelt, nicht zuletzt dank der reichhaltigen Plattensammlung seiner Mutter. Nachdem er mit 17 Carey Bell kennengelernt hatte, brachte sich San2 selbst das Mundharmonikaspielen bei - mit so überragendem Erfolg, dass er 2009 in die Hohner Artist Gallery aufgenommen wurde, und die eine oder andere Bluesharp-Nummer bis heute eines der Markenzeichen der Einspielungen und Auftritte von ihm und seiner Band Soul Patrol ist.
Ohnehin widmet sich Gall seiner Profession viel ehrgeiziger und perfektionistischer als es sein lässiges Auftreten und sein flockiger Künstlername vermuten ließen. Schon für sein Kunst- und Kommunikationsdesign-Studium war ihm neben Nürnberg das kalifornische Berkeley gerade gut genug. Und auch für die schon parallel angeworfene Musikkarriere suchte er sich einmöglichst lehrreiches und fruchtbares Umfeld - das er in Amsterdam fand, wo er sein bis heute so heißende Band S an2 & His Soul Patrol samt dem eigenen Label "2strokeRecords" gründete.
Der Titel des 2011 dort erschienenen - und sehr erfolgreichen - Debütalbums bringt sein musikalisches Programm bis heute auf den Punkt: "Rebirth of Soul & Recycling the Blues". Keine einfache Sache angesichts der aktuellen Musiktrends und Radiolandschaft, noch dazu in München (wo San2 aus familiären Gründen nach seiner Station in den Niederlanden landete), wo die durchaus vorhandene heimische Bluesszene - die er von Ludwig Seuss und Dr. Will bis zu Ferdinand Kirner auch schon zu seinen 2013 veröffentlichten "Munich Sessions" einlud - schon lange keinen Club und damit kleine Heimat mehr hat.
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Aber San2 lässt nicht locker. Wie schon der Vorgänger "Hold On" von 2015 entstand auch "The Rescue" in Zusammenarbeit mit Geoff Gascoyne, dem ehemaligen Arrangeur und Bassisten von Jamie Cullum. Neu dazu kam der in Berlin lebende Komponist und Produzent Loomis Green. Und so funktioniert das Album quasi wie ein Dreikomponentenkleber: San2s eigene Kompositionen - oft Autobiografisches wie "Born on the Southside" oder das vom Tod seines Vaters inspirierte "I'm Moving Up" - oder Band-getriebene, in München produzierte Stücke wie der grandios fetzige "Fat Bottom Boogie" seines Keyboarders Matthias Bublath verweben sich mit den Londoner Geniestreichen Gascoynes - wie dem opulent arrangierten, hymnischen Titeltrack oder dem geradezu verwegenen Schmachtfetzen "Tell Me A Secret" zum Schluss - und den poppigen, ungewöhnlich arrangierten Songs von Green wie "Sheer Bliss". Alles getragen von San2s markanter, je nach Bedarf roher oder schmuseweicher Stimme.
Natürlich ist "The Rescue" Retro. Aber das waren etliche Meilensteine der Musikgeschichte auch. Hier geht ein bemerkenswert vielfältiges und energetisches Neo-Soul- und Blues-Projekt an den Start. Das live noch eindrucksvoller sein dürfte: So 110-prozentig wie als Grafiker und Musiker übte San2 schon als Bub die Tanzschritte eines James Brown oder eines Michael Jackson. Nicht zuletzt das macht ihn zum vielleicht besten Entertainer der deutschen Bluesszene.
San2 & His Soul Patrol: The Rescue (Capriola/Blanko Music); live am Mittwoch, 3. April, 20 Uhr, Freiheiz, Rainer-Werner-Fassbinder-Platz 1