Konzert:Vollends verblüffend

Das Mariinsky Orchester mit "Iolanta" und Münchner Hilfe

Von Egbert Tholl

Zum Abschluss des Geburtstagswochenendes erhalten die Münchner Philharmoniker ein grandioses Geschenk: Das Mariinsky Orchester spielt Tschaikowskys Oper "Iolanta". Vor allem aber hat Valery Gergiev zehn Solisten von diesem seinem Opernhaus mitgebracht, und die machen das Erstaunlichste, was man vielleicht je an konzertanter Oper in der Philharmonie erlebt hat. Da das Ganze ein "Freundschaftskonzert" ist, wirkt der Philharmonische Chor mit. Und zuvor spielt das Streichorchester des Mariinsky Schönbergs "Verklärte Nacht", stehend, wach, konzentriert. Und wer steht da am ersten Pult? Lorenz Nasturica-Herschcowici, Konzertmeister bei den Münchner Philharmonikern, aber oft auch in Gergievs Sphären in Russland tätig, wie erst jüngst, als Gergiev unter Putins Anwesenheit den neuen Saal in Moskau eröffnete. Also eben "Freundschaftskonzert".

Ist schon beim Schönberg das organische Zusammenwirken der Musiker mit Gergiev bemerkenswert, so ist es dann bei der Oper vollends verblüffend. Das Orchester spielt wie ein einziges, vielgestaltiges, vielklingendes Instrument. "Iolanta" ist eine Märchenoper, ein Poem, kaum dramatisch, aber wunderschön. Es gibt einen milden Konflikt und ein glückliches Ende: Iolanta ist blind, ihr Vater, König Rene, schottet sie in einem Zaubergarten von der Außenwelt ab. Sie soll nicht wissen, dass sie nichts sieht, doch meint Ebn-Chakia, ein Arzt aus dem Morgenland, die Kenntnis über ihre Situation wäre der erste Schritt zur Heilung. Das klappt, weil der Ritter Vaudémont mit seinem Freund Robert, ursprünglich der Verlobte Iolantas, ins Paradies hereinschneit, Iolanta in Unkenntnis des Schweigeverbots die Wahrheit erzählt, sie daraufhin sehend wird und er sie heiratet. Alle sind froh, und Robert ist frei für seine neue, schwarzäugige Geliebte Mathilde.

Zu Beginn treten Iolanta (Irina Churilova) und ihre Damen auf, ein zwitscherndes Vergnügen, dann folgt Bertrand, der Pförtner des Schlosses. Eine kleine Partie, die man normalerweise entsprechend besetzen würde. Hier klingt Yuri Vorobiev, als brächte er seine eigene Klangkathedrale mit. Das ist völlig verblüffend, und man hat nicht nur bei ihm, nein bei allen Solisten das Gefühl, man verstünde Russisch, obwohl das überhaupt nicht der Fall ist, einfach deshalb, weil alle Sängerinnen und Sänger so präsent sind, als wäre die Philharmonie ein Opernhaus. Und sie singen ausnahmslos wunderschön.

Valery Gergiev ist einfach immer gut für Überraschungen. Bei den vorangegangenen Konzerten an diesem Wochenende gab es durchaus noch Raum für Feinjustierungen. Dann aber stellt er diese Aufführung hin. Er ist ein positiv Musikverrückter. In dieser Hinsicht hat er auch in München viele philharmonische Mitstreiter, die kammermusikalisch den ganzen Sonntag bespielten.

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