Süddeutsche Zeitung

Konzert:Vielstimmige Verständigung

Der Unterricht in der Münchner Schule für Chorkunst erfolgt in russischer Sprache. Im Kulturzentrum Trudering präsentieren die Sänger ein Programm mit internationalen Liedern

Von Barbara Hordych

Die Musikauswahl spricht für sich: "Schafe können sicher weiden, wo ein guter Hirte wacht. Wo Regenten wohl regieren, kann man Ruh' und Frieden spüren, und was Länder glücklich macht." Zwanzig Kinder intonieren Johann Sebastian Bachs Arie aus der Jagdkantate BWV 208. Die acht- bis zwölfjährigen Sänger haben sich im Unterrichtsraum der russischen Schule für Chorkunst an der Einsteinstraße für eine Probe zu ihrem Auftritt am Samstag versammelt. Unter der Leitung von Maxim Matiuschenkov wird der Konzertchor im Kulturzentrum Trudering ein Programm mit russischen Volksliedern, aber auch mit Liedern von Franz Schubert sowie italienischen und amerikanischen Weisen zu Gehör bringen.

"Wenn alle Völker sich mit Gesang und Musik verständigen würden, gäbe es vielleicht weniger Probleme - deshalb ist dieses Konzert dem Frieden in der Welt gewidmet", erklärt Matiuschenkov, anknüpfend an die Worte von den wohl regierenden Regenten, die "Ruh' und Frieden" bringen. Der Leiter der Chorschule stammt aus Weißrussland und studierte Operngesang und Musiktheater am Mozarteum Salzburg. Seit 2012 lebt er in München, wo er an der Schule für Chorkunst drei altersmäßig gestaffelte Kinderchöre und den Erwachsenen-Kammerchor unterrichtet. Alle diese Gruppen treten beim Konzert in Trudering auf, zum Abschluss singen der Russische Kammerchor und der Kinder-Konzertchor gemeinsam Benjamin Brittens "Der Kuckuck", in englischer Sprache und in russischer Übersetzung.

Ein deutlich international angelegtes Programm also, auch wenn der Unterricht der Kinder in russischer Sprache erfolgt. Diese springen mühelos zwischen Deutsch und Russisch hin und her, und wenn es mal hapert mit dem Verstehen, helfen sie sich untereinander. "Alle Kinder kommen aus russischsprachigen Familien oder aus Familien mit russischem Migrationshintergrund", erzählt Matthias Kobro. Der Konferenzdolmetscher für Russisch und Englisch ist einer der Initiatoren für die 2014 gegründete Chorkunstschule. Und Vater zweier Kinder, die selbstverständlich auch schon im Chor singen - die fünfjährige Tochter im Chor der Jüngsten, der neunjährige Sohn im Konzertchor.

"Wir finden, dass hier allgemein zu wenig gesungen wird", erzählt Kobro über die Motivation, erst den deutsch-russischen Verein für Kunst und Kultur als Träger und dann die Schule für Chorkunst zu gründen, für die er als Vorstandsmitglied die Finanzen regelt. Auch wenn er selbst sich nach zwei Jahren am Mozarteum für einen anderen Beruf entschied, ist sie für ihn doch lebensbestimmend, die Liebe zum Gesang. Seine Frau, die am Mozarteum Klavier studiert hat, ist heute als Korrepetitorin an der Hochschule für Musik tätig - und begleitet die russischen Chorkinder am Klavier. Ein professioneller Anspruch ist bei allen Beteiligten durchaus spürbar.

Ein Problem, Sängernachwuchs zu finden, hat der Chordirigent Matiuschenkov nicht. Die Zahl der Schüler ist von anfänglich 20 auf 70 Kinder gestiegen, mithilfe der Paul Nikolai Ehlers-Stiftung konnten im vergangenen Jahr die größeren Räumlichkeiten an der Einsteinstraße angemietet werden. "Als mein Sohn Alexej hörte, dass er in die Konzertgruppe darf, wenn er sich mehr konzentriert, hat das bei ihm sofort gewirkt, auf einmal konnte er ruhig sitzen", sagt Christina Pikaleva. Und zeigt mit einem Lachen auf ihren achtjährigen Sohn, der die Probenpause dazu nutzt, mit seinen Freunden Fangen auf dem Innenhof zu spielen. Selbstverständlich ist die Mutter von vier Kindern am Samstag dabei - als Mitglied des Kammerchors.

Chorkonzert zur Sommerzeit, Sa., 9. Juli, 15.30 Uhr, Kulturzentrum Trudering, Wasserburger Landstraße 32, Eintritt frei

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SZ vom 07.07.2016
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