Konzert:Musik als Denksport

Konzert: Lieben Symmetrie in der Musik: Ronny Graupe, Henning Sieverts und Nils Wogram (von links).

Lieben Symmetrie in der Musik: Ronny Graupe, Henning Sieverts und Nils Wogram (von links).

(Foto: OH)

Der Münchner Bassist Henning Sieverts ist einer der interessantesten Jazz-Komponisten. Mit seinem Trio "Symmethree" kommt er in die Unterfahrt und nach Seefeld

Von Oliver Hochkeppel

Bassisten sind im Jazz so etwas wie früher die Liberos im Fußball: Eigenwillige Typen, aber auch Stabilitätsanker und oft heimliche Lenker einer Mannschaft. Was indes die Mastermind-Qualitäten des Münchner Bassisten Henning Sieverts nur unvollkommen umreißt. Nicht nur ist der 52-Jährige das Herzstück etlicher Mannschaften und damit inzwischen eine der herausragenden Figuren der europäischen Jazzszene, was auf weit über 100 CD-Einspielungen als Sideman und 17 eigenen Alben mit den verschiedensten Projekten dokumentiert ist; nicht nur hat er wichtige Auszeichnungen erhalten, darunter als einziger zweimal den Neuen Deutschen Jazzpreis; ebenso dürfte er der einzige Jazzer sein, der über ein Journalismus-Diplom verfügt und nicht nur als Musiker, sondern auch als Rundfunkmoderator arbeitet; darüberhinaus ist der gebürtige Berliner, der schon mit elf Stipendiat am Konservatorium wurde und den Wettbewerb "Schüler komponieren" zwei Jahre in Folge gewann, auch Cellist und einer der interessantesten Komponisten der Jazzwelt - was wiederum mit seinen bis ins Spleenige reichenden Neigungen zu tun hat, von der Leidenschaft für Denksportartiges wie Schach, Sudoku, Scrabble oder Kreuzworträtsel bis zur Beschäftigung mit Vogelstimmen.

Das schlug sich unter anderem in zwei herausragenden Alben nieder, die sich mit spiegelbildlichen Kompositionsstrukturen beschäftigten - was weit weniger trocken war als es sich anhört. Und aus "Symmetry" wurde Symmethree, sein Trio mit dem Posaunisten Nils Wogram und dem Gitarristen Ronny Graupe, beide ebenfalls europaweit herausragende Vordenker ihrer Instrumente. Auch nach dem Debütalbum von 2012 spielten die drei Vielbeschäftigten regelmäßig zusammen. Nun ist als Nachlass der eingestellten Pirouet-Produktion ein neues Album unter dem Titel "Aerea" erschienen, einer typisch Sievertschen Wortschöpfung: Luft und Raum klingen darin an, und natürlich ist es ein Palindrom.

Bei zehn Stücken gelingt den Dreien wieder die hohe Kunst, aus Sieverts vermeintlich abstrakten, wenn nicht abseitigen Ideen Musik zu machen, die gleichermaßen den Musikern wie dem Publikum Spaß macht, die ebenso intelligent wie sinnlich ist. Ob nun die klassische Spielerei über die B-A-C-H-Harmonien mit den Changes des Standards "All The Things You Are" verbunden wird ("Attya"); ob in "Twenty One" Sieben-mal-Drei- und Drei-mal-Sieben-Rhythmen übereinandergeschoben ein verblüffend eingängiges Lied ergeben; ob in "Full Moon, New Moon" erst nur mit den weißen, dann nur mit den schwarzen Tasten gearbeitet wird; oder ob im freiesten Stück die Wortschöpfung von Sieverts kleinem Sohn "Übergestern" musikalisch interpretiert wird. Bereits vor zwei Jahren eingespielt, wird das Material für die Drei live sicher wieder zu einer neuen Herausforderung.

Symmethree, Do., 27. Sept., 21 Uhr, Unterfahrt, Einsteinstraße 42; Fr., 28. Sept., 20 Uhr, Schloss Seefeld

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