Konzert in Manchester:"Olivia hätte die Hits hören wollen"

Ariane Grande kehrt zwei Wochen nach dem Anschlag nach Manchester zurück. Zusammen mit Weltstars wie den Black Eyed Peas, Pharrell Williams und Miley Cyrus gedenkt sie der Opfer - eine machtvolle Ansage an jeden Terroristen.

Von Juliane Liebert

Knapp zwei Wochen nach dem Anschlag kehrt Ariana Grande nach Manchester zurück, um ein Benefizkonzert für die Familien und Opfer zu geben. Und mit ihr auch einige der Fans, die während des Terroranschlags im Publikum waren. Deshalb kommt der erste Applaus lange, bevor das erste Wort gesungen wird.

Doch nicht nur Ariana Grande ist da: Das Lineup von "One Love" umfasst Weltstars wie unter anderem Katy Perry, Justin Bieber, Coldplay und Liam Gallagher.

Ein früher Höhepunkt des Abends ist Robbie Williams, er singt seinen Song "Strong", den er zu "Manchester we're strong" abwandelt, offensichtlich ehrlich gerührt. Neben der Gewalt, die es hat, wenn Tausende Menschen mitsingen, ist seine Robbie-Williams-typische Prolligkeit gut geeignet, Angst zu verscheuchen. Eine Stärke des britischen Pop ist sowieso der unbekümmerte und mutwillige Working-Class-Proll mit gutem Herz; und wenig ist ermutigender als Williams, der unbesorgt weitergröhlt, obwohl seine Stimme eindeutig nicht (mehr) in frühere Höhen kommt.

Danach entert Pharrell Williams die Bühne. Als er gemeinsam mit Miley Cyrus seinen Hit "Happy" performt, ist das ein gewaltiges "Fuck You" an die Attentäter und ihre Absichten. Und fünfzigtausend Menschen singen im Abendlicht mit.

Einen besseren Auftakt hätte es nicht geben können für dieses Konzert; er zeigt, dass solche Veranstaltungen tatsächlich eine machtvolle Ansage an jeden Terroristen sind. Man muss sie dafür gar nicht mit diesem "Jetzt erst recht"-Mantra belasten; es ist auch völlig egal, wie fake und marketingkalkuliert viele Gesten sein mögen, genauso ist es nicht von Belang, dass manche Menschen Terroranschläge zur Inszenierung ihrer eigenen Betroffenheit benutzen.

Aus einem Charthit wird ein aufrichtig empfundener Song

Der Punkt ist einfach: Dass diese Stars an diesem Abend da sind und das Spiel des Pop spielen, und zwar ganz selbstverständlich. Dass selbst die größtmögliche kommerzielle Künstlichkeit, die totale Entfremdung, die trostlose Immanenz des Billigplastik jeder Zeit in ein Moment der Wahrheit kippen kann.

Aber manchmal fügt sich alles unvermittelt zusammen. Die Geste stimmt, der Himmel stimmt - und aus einem Charthit wird ein aufrichtig empfundener Song, die Abendsonne ist keine Kitschpostkarte mehr, sondern die Schönheit der Welt, und das ewige horizontale Dahinplätschern der Zeit wird vertikal durchschnitten, weil man den direkten Draht zu den Sternen hat. Das kann im dreckigsten Kellerclub mit der lärmendsten Shoegazeband genauso passieren wie beim Stadionkonzert von Ariana Grande. Es geschieht an diesem Abend, 24 Stunden nachdem ein erneuter Anschlag die britische Haupstadt London getroffen hat.

Ariana Grande tritt auf, die Gastgeberin des Konzertes. Sie trägt mit den Black Eyed Peas "Where is the Love" vor, stimmlich beeindruckend, mit Kraft und Volumen, und sie singt erstaunlich entspannt. "Olivia would have wanted to hear the hits" ("Olivie hätte die Hits hören wollen") zitiert sie die Mutter eines der gestorbenen Kinder, und die Hits bestimmen den Abend - von Katy Perrys in weißem Federkostüm vorgetragenem "Roar" bis zu Justin Biebers "Love yourself".

Kapitalismus, Freiheit und Kitsch liegen eng zusammen

Und dann sind sie alle da, Pharell, Miley Cyrus, Kaugummi kauend, Katy Perry mit eisverschmiertem Mund, Bieber mit Tränen in den Augen, und viele andere, die per Video ihre Grüße senden und den Menschen von Manchester ihre Liebe erklären. Scooter Braun dankt denen, die während des Anschlags ihr Leben riskiert haben, um anderen zu helfen. Chris Martin singt "Don't look back in anger", Liam Gallagher performt in einer orangen Jacke, ein Tambourin hinter dem Rücken.

Sie alle repräsentieren noch etwas anderes: Dass es schmerzhaft, schwierig, verstörend sein mag, dass Kapitalismus und Freiheit, Kitsch und unschuldiges Gefühl, Affirmation und Revolution so dicht beieinander liegen. Aber wenn irgendwas grandios an unserer Gesellschaft ist, dann gerade das. Denn es ist etwas sehr Lebensfreundliches, Widersprüche auszuhalten. Was nicht heißt, dass man sie akzeptiert. Es heißt nur, dass man sie nicht einfach leugnet oder mit Gewalt zu beseitigen versucht.

Mutig haben Ariana Grande, das Publikum und ein paar der größten Popstars unserer Zeit diese Stunden zu einem Abend gemacht, der ein bedeutender Moment für die Popmusik und die Welt ist.

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