Konzert in Düsseldorf:Alle knien nieder vor Königin Beyoncé

Beyonce

Die Kleidung wechselte, der Zopf blieb: Beyoncé bei ihrem Konzert in Düsseldorf.

(Foto: AP)

Der Auftritt in Düsseldorf ist erwartungsgemäß ein riesiges Spektakel - und genau das, was man sehen will. Selbst in einen Teppich gehüllt wirkt Beyoncé königlich. Oh, und singen kann sie auch.

Konzertkritik von Juliane Liebert, Düsseldorf

Ein Popstar gibt ein Konzert. Warum interessiert uns das?

Taxifahrer sind Agenten der Wahrheit. "Mögen Sie Beyoncé?" - "Joah, die kann gut singen. Und gut wackeln." - "Tanzen meinen Sie." - "Nein, wackeln. Sie wissen schon", verkündet einer von ihnen auf dem Weg zur Esprit-Arena. Nun wird man kein Weltstar, indem man gut wackelt. Wackeln kann einen schon weit bringen, das ist nicht abzustreiten, aber es sorgt nicht dafür, dass etwa Taxifahrer sich wundern, wieso die Stadt nicht belebter ist, wenn man auftritt. Oder, dass der Typ am Flugschalter in Berlin weiß, dass Beyoncé Giselle Knowles-Carter in Düsseldorf ein Konzert gibt. Besagtes Konzert war der erste von zwei Deutschland-Terminen von Beyoncés "Formation World Tour". Die ist aus diversen Gründen eine ganz besondere: "Formation" ist die beim furiosen Super Bowl-Auftritt angekündigte Tour, die Tour nach "Lemonade". "Lemonade" wiederum ist der bisher wichtigste und politischste Popfilm 2016, Beyoncé eine der prominentesten Figuren der Black-Lives-Matter-Bewegung. Die "Formation-Tour" hat sogar einen Wikipedia-Eintrag. Der ist länger als der über David Cameron.

Wie war's?

Der heimliche Hauptdarsteller waren ihre Braids, auch Rastalocken genannt. Wie üblich wechselten die Outfits während des Konzerts rege; was konstant blieb, war die Frisur - ein einziger aus Braids geflochtener Zopf, der jede ihrer Bewegungen noch übertrumpfte. Er wirbelte nach rechts und links, wenn die Queen sich drehte, wenn die Queen sprang, flog er noch höher, wenn sie in die Knie ging, peitschte er vor ihr auf den Boden, wenn sie den Kopf rotierte, gab er den Propeller. Ihr Zopf hatte mehr eigenen Willen und Ausdrucksfreiräume als ihre Tänzerinnen, die eigentlich immer einfach ihre Bewegungen und Outfits multiplizierten, so dass auf der Bühne eine ganze und zwanzig halbe Beyoncés zu stehen schienen.

Ansonsten war die Show alles, was man von Popshows heutzutage so erwartet. Eine Abfolge saftiger Crowdpleaser, von Presse und Fans hochgelobt - die Queen weiß, was ihr Volk will, und sie liefert: Alle Hits von Survivor bis Halo, ein bisschen Destiny's Child, eine Menge Wut, Pathos und Liebe, Feminismus, aber nicht zu viel und nicht zu kompliziert, und noch dazu an Seilen in die Luft gehängte Background-Tänzerinnen. All ihre Outfits waren hochgeschlossen, dafür gab's konstant viel Hintern zu sehen. Wenn künftige Generationen unsere Aufzeichnungen entdecken, werden sie den Anfang des 21. Jahrhunderts "die Epoche des Hinterns" taufen. Aber warum eigentlich auch nicht? Es gibt keine richtigen Genres mehr, alle coolen Popstars sterben nach und nach weg, dafür hat der Hintern übernommen, auch gut, der erschießt sich wenigstens nicht mit 27 in seinem Gartenhaus.

Nun sag, wie hast du's mit der Emanzipation (in einer von Sex und Image dominierten Branche, Baby)?

Der Witz daran, man bedenke: Da macht einer der größten weiblichen Popstars unserer Zeit ein Album, mehr noch, eine Tour darüber, dass ihr Mann sie (angeblich) betrogen hat. Außerdem, weil es gerade gut passt, über Emanzipation (alle Tänzer und Bandmitglieder der Tour sind weiblich), und natürlich, schwarzes Empowerment. In dieser Show - unvergessen die Scheidungsnummer, die sie und Jay Z anlässlich der letzten Tour abgezogen hatten - zeigt sie private Filmszenen ihrer glücklichen Familie, denen übergangslos ein geradezu militärischer Marsch in ein Planschbecken folgt. Und alle fressen es. Die merkwürdige Doppelmoral eines Rollenmodells, das Feminismus mit den Werten der fünfziger Jahre verkaufen will: Feminismus: Ja! Klassische Rollenbilder: Auch ja! Ich bin nicht mehr Eigentum meines Mannes, dafür ist mein Mann jetzt mein Eigentum, und statt ihn hasse ich die Bitch, mit der er mich betrogen hat. Oder, in Beyoncés eigenen Worten: "Ashes to ashes, sidechicks to dust". Das ist dann unser politischer Popstar der Stunde. Hallelujah.

Auf der anderen Seite: Die Entwicklung! Die Frau arbeitet wie eine Maschine, seit sie ein Kind ist. Wer sehen will, wie sehr sie sich verändert hat, schaue sich Mitschnitte ihrer ersten Tour mit Jay Z an - die damalige Beyoncé erscheint wie ein schlechtes Abziehbild der heutigen, nicht andersrum. Jetzt trägt sie während der Show zeitweilig etwas, das ein Umhang sein soll, aber aussieht wie ein Teppich. Doch selbst der Teppich sieht an ihr königlich aus.

Bester Moment?

Ganz klar ihre unbegleitete Version von "Love on Top". Und überhaupt musikalisch eigentlich: fast alles. Beyoncé hat kein Problem damit, auch allein mit ihrer Stimme die Bühne in Besitz zu nehmen. Wann immer sie mit dem Publikum interagiert, liegt in ihren Augen etwas, das wie aufrichtige Verliebtheit aussieht. Die Queen hat eine Aura entwickelt, die zwingend, erwachsen und unendlich sexy ist, auch wenn ihr hin und wieder Mister Zopf reingrätscht - sie headbangt auf dem Thron, und alle knien nieder. Oh, und singen kann sie auch.

Alle weiteren wichtigen Fragen zum Konzert und was passiert, wenn der Vorhang fällt:

Ist Rache süß? Ja, wenn man nach Beyoncés Gesichtsausdruck geht, macht sie vor allem eine Menge Spaß. Sind wir immer aufwendigere Stadiontouren schon leid? Nein. Nein, wirklich nicht, wir tun ja immer so, aber eigentlich wollen wir genau das. Ja, wir zahlen auch noch mehr. Gern doch. Hat sie was zu Dallas gesagt? Nein, diesmal gibt es keine Worte zu Dallas, keine Schweigeminuten, dafür dankt sie ausführlich der Technik. Zwischendurch wird als Prince-Tribute "Purple Rain" eingespielt. Während sie sich umzieht. Wann auch sonst. Was passiert, wenn der Vorhang fällt? Am Ende verschwindet Beyoncé innerhalb von fünf Minuten aus der Arena und dampft in einem Wagen mit schwarzgetönten Scheiben ab. "Wir wissen eh, in welchem Hotel die ist!" schreit ein Fan der Security hinterher. In welchem Hotel denn? Das wissen wir nicht.

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