Konzert:In aller Feindschaft

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Jörn Kachelriess, Florian Pröttel, Stefan Busch, Uli Paggen, Nils Böhme (von links) werfen ihre musikalischen Vorlieben in den Ring. (Foto: Jörn Kachelriess)

Bei den Münchner "Silverfish Surfers" treffen Musiker mit ganz unterschiedlichem Geschmack aufeinander. Das Ergebnis ist spannender Sound mit gruppentherapeutischer Wirkung

Von Dirk Wagner

Musik verbindet. Das betonen Musiker immer wieder. Und die unterschiedlichen Menschen, die sich in ihren Konzerten zu einem Publikum vereinen, scheinen deren These zu bestätigen. Doch wer je einen Nachbarn mit einer leistungsstarken Stereoanlage hatte, weiß: Musik trennt vor allem. Zumal das, was einem als Musik zugemutet wird, oft die eigene Musikkompetenz beleidigt. Wobei die tiefsten Gräben nicht selten zwischen artverwandten Musikstilen entstehen. So bereitet etwa die Frage " Beatles oder Stones?" ganze Lebensphilosophien vor. Und auch 1980, als der 15 Jahre alte Gitarrist Florian Pröttel die Starnberger Punk-Legende A+P gründete, gab es andere Popkulturerscheinungen, die ihm als Punk aber nur albern erschienen.

Dieses ewige Geklimpere der stets verspulten Prog-Rocker und Fusion-Jazzer zum Beispiel, denen sich der gleichaltrige Schlagzeuger Nils Böhme damals mit seinen Drumstick-Jonglagen verbunden sah. Oder die Heavy-Metal-Begeisterung vom Schulkollegen Jörn Kachelriess, der mit Böhme später in der Rockformation Bent Not Broken zusammenspielte. "Musikalisch waren wir uns spuckefeind", erinnert sich Pröttel an seine Dispute mit Kachelriess in der Schule. Umso mehr amüsiert beide nun, dass sie und Böhme 40 Jahre später in einer gemeinsamen Band spielen. Silverfish Surfers nennen sie sich, abgeleitet vom Ausdruck "Silver Surfers" für ältere Internet-Nutzer. Nur, dass sie als alte Rocker auf Silberfischen surfen, die da unkontrolliert aus den Badezimmerkacheln ihrer unterschiedlichen Musiksozialisationen hervorhuschen.

Mit dabei sind der Bassist und Sänger Uli Paggen und der Gitarrist und Sänger Stefan Busch, zwei altgediente Musiker, mit denen der A+P-Gitarrist Pröttel Mitte der Achtzigerjahre eine der besten Indie-Underground-Bands im Münchner Raum gegründet hatte: Bokassa's Fridge. "Uli und ich waren damals aus unserer früheren Prog-Rock-Band rausgeflogen. Wegen angeblicher Unfähigkeit und aus persönlichen Differenzen", erinnert sich Busch an jenen Abend, als die beiden den Punkrocker Pröttel trafen, der gerade über das mögliche Ende seiner Punkband nachdachte. Die aus diesem Treffen hervorgegangenen Bokassa's Fridge erweiterten fast zehn Jahre lang einen früheren Punkbegriff ganz im Sinne der Talking Heads und anderer mitunter sogar avantgardistischer No-Wave-Musiker einer New Yorker Underground-Szene.

Einigen derer bedeutendsten Mitstreiter begegnete Busch später sogar persönlich in New York, als dort nämlich der Gitarrist Arto Lindsay und der Underground-Tausendsassa J. G. Thirlwell alias Foetus die Studioarbeit der Rosenheimer Band Sovetskoe Foto unterstützten, in der er Anfang der Neunziger sang. Fast wären sie damals auch im legendären New Yorker Musik-Club CBGB aufgetreten. Doch dann wurde das Konzert kurzfristig in einen Jazzladen verschoben, erinnert sich Busch ein wenig enttäuscht. Denn das CBGB mit seiner Punk-Konnotation war für Busch eine Art Musik-Mekka.

Bei den Silverfish Surfers genießen alle Beteiligten nun den Dialog über unterschiedliche musikalische Vorlieben, die sie bewusst zusammen wirken lassen. "Das hat auch was Therapeutisches, sich gegenseitig zu belehren", sagt Kachelriess. Aus dieser Therapie ist mittlerweile ein erstes gemeinsames Studioalbum hervorgegangen, das unter dem Titel "This Is It" den verschiedenen Rockvorstellungen sogar noch karibische Rhythmen gegenüber stellt. Abwechslungsreicher ist darum selten ein Album und trotzdem spannend homogen.

Silverfish Surfers , Donnerstag, 23. Januar, 20 Uhr, Orangehouse (Feierwerk), Hansastr. 41

© SZ vom 23.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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