Konzert:Handküsse in die Nacht

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Oper für alle mit Sonya Yoncheva auf dem Marstallplatz

Von Ekaterina Kel, München

Kurz bevor es dunkel wird, flattert Sonya Yoncheva auf die Bühne. Ihr Kleid ist von einem Königsblau, das alle Sehnsüchte nach einem klaren Abendhimmel erfüllt. Gut so, denn die grauen Regenwolken wollen sich einfach nicht verziehen. Für die Dauer der traditionellen "Oper für alle", alljährlich unter freiem Himmel von der Bayerischen Staatsoper ausgerichtet, dieses Mal auf dem Marstallplatz, muss aber keiner sein Regencape überstülpen. Yoncheva, die bulgarische Sopran-Größe mit einem Stimmvolumen, das dem Radius ihres Rockes, den sie kokett nach allen Seiten fliegen lässt, in nichts nachsteht, bietet den Zuschauern dreimal Verdi, dreimal großartige Frauen, dreimal höchste Dramatik. Schade nur, dass die Arien kleine Schnipsel bleiben, die zwar Yonchevas Stimme schmeicheln, aber den Menschen, die nichts mit Oper am Hut haben und die man dafür begeistern möchte, nur als Vokalakrobatik und nicht als Ausschnitte eines dramaturgisch komponierten Gesamtgeschehens in Erinnerung bleiben.

Hinter Yoncheva erklingt das Bayerische Staatsorchester in seiner ganzen Fülle, die Sopranistin wird von der Wucht der Orchestermusik zusätzlich beflügelt. Deshalb fällt ihr Dank an Dirigent Michele Mariotti und seine Musiker spürbar herzlicher aus, als die spärlichen Handküsse, die sie in die Dunkelheit des Marstallplatzes fliegen lässt. Sei's drum, es muss weitergehen. Schließlich sind die Pflastersteine hart und kalt und der Wind unangenehm. Was das Geschehen auf der Bühne angeht, so nimmt es seinen gewohnten Lauf. Dass die Menschen, die hier zuhören, keine Perlenohrringe tragen, sondern regenfeste Schuhe, und keinen Cent für das Konzert ausgegeben haben, ist den Musikern herzlich egal, ihre Darbietung von Antonin Dvořáks 8. Symphonie G-Dur ist allein dem besten Klang gewidmet und der kann sich hier wunderbar entfalten, solang man zu den Glücklichen gehört, die vorne an der Bühne einen Platz gefunden haben. Im zweiten Satz bestreiten die Bläser einen heiteren Dialog mit dem gewaltigen Streicher-Korpus, besonders die Flöte schafft es immer wieder, die Aufmerksamkeit auf ihre spielerischen Partien zu bündeln. Zu Anfang spielte das Jugendorchester Attacca unter Leitung von Allan Bergius die Tragische Ouvertüre d-Moll von Brahms - das lockte viele stolze Eltern sowie Neugierige auf den Platz, die womöglich bis in die Nacht geblieben sind.

© SZ vom 23.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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