Süddeutsche Zeitung

Konzert:Für Ernestine

Die Münchner Jazzsängerin Gerti Raym hat nach längerer Pause wieder ein Album aufgenommen. Es ist ihrem großem Vorbild, der US-Amerikanerin Anderson, gewidmet

Von Oliver Hochkeppel

Es gehört ganz sicher nicht zu den einfachsten Aufgaben für eine Jazzsängerin, sich mit den Standards aus dem "Great American Songbook" zu beschäftigen. Tritt man damit doch ganz automatisch in Konkurrenz mit den ganz großen Sängerinnen wie Ella Fitzgerald oder Sarah Vaughn. Auch deshalb ist moderner Popjazz-Gesang viel verbreiteter. Eine, die sich trotzdem ans Songbook traut, und das seit mehr als 30 Jahren, ist die Münchnerin Gerti Raym. Dass sie dies mit einer beachtlich "schwarzen" Stimme, mit gutem Timing, akkurater Intonation und vor allem mit Feeling macht, bescheinigen ihr auch Kritiker und Kolleginnen wie Münchens Swing-Fürstin Jenny Evans.

Was wohl auch daher kommt, dass Gerti Raym den Weg so vieler afro-amerikanischer Sängerinnen gegangen ist und über den Blues und Gospel zum Jazz sowie über den Chorgesang zur Solo-Performance gekommen ist. Raym studierte am Munich Vocal Institute bei Diane Bolden-Taylor und bei Janet Tyler, sang lange in Michael Flannagans Celebration Gospel Choir, bis sie schließlich in Musical-Produktionen und in den Bigbands von Hugo Strasser und Billy Gorlt landete. Leicht ist dieses Geschäft nicht, doch Raym schlug sich mit eigenem Quartett oder Galabands, als Texterin, Gesangscoach, Künstlervermittlerin und Moderatorin durch.

Jetzt hat die Münchnerin endlich wieder einmal ein Album aufgenommen, ihr zweites nach "Fruits Of Passion", das 2008 erschienenen ist. "Dear Ernestine" ist der im März 2016 verstorbenen Ernestine Anderson gewidmet, Rayms absoluter Favoritin: "Mit ihren sonoren Tiefen, ihrem individuellen Timbre, ihrem coolen Laid-back-Phrasieren und ihrer unvergleichlichen Art, das Publikum in ihren Bann zu ziehen, hat sie mich geprägt wie keine andere", sagt Raym. Was man bei ihren Standard-Interpretationen von Mel Tormés "Born To Be Blue" bis zum Hart/Rodgers-Klassiker "Spring Is Here", von Benny Golsons "I Remember Clifford" bis zu Johnny Mercers "My Shining Hours" auch hört. Nicht zuletzt ist die Begleitung mehr als überzeugend: Mit Philipp Stauber an der Gitarre, Matthias Bublath an den Tasten, Sebastian Gieck am Bass und Matthias Gmelin am Schlagzeug ist ein echtes Münchner All-Star-Quartett am Werk. "Um Ernestine zu huldigen", findet Gerti Raym, "sind die Besten eben gerade gut genug."

Gerti Raym: Dear Ernestine (Radau Records), Fr., 27. Okt., 19.30 Uhr, Restaurant Conti, Max-Joseph-Straße 5

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Quelle:
SZ vom 27.10.2017
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