Süddeutsche Zeitung

Konzert:Friede auf Erden

In den 1960ern beeinflusste Donovan den Lauf der Popgeschichte mit Songs zwischen Psychedelic und Folk. Auf seiner "Song of the Sea"-Tour kommt er am Mittwoch in die Stadthalle Erding

Von Jürgen Moises

Sie wollten der Welt den Frieden bringen und die Menschheit von ihren "Geisteskrankheiten" befreien. Deswegen reisten Donovan und die Beatles 1968 nach Indien und lernten dort Meditation bei Maharishi Mahesh Yogi. Das mit dem Frieden hat nicht ganz geklappt, teilweise wirkt die Welt heute verrückter als vor 50 Jahren. Einiges verändert hat die Reise dennoch. Zwischen den Meditationen brachte Donovan den Beatles neue Fingerstyle-Techniken wie den Clawhammer bei. Und dann? "Fingen die Beatles an, auf völlig neue Weise ihre Songs zu schreiben. John schrieb 'Dear Prudence' und 'Julia'. George 'While My Guitar Gently Weeps'. Und Paul schrieb 'Blackbird' und 'Mother Nature' s Son'." Das Ergebnis war das "Weiße Album".

Der 1946 im schottischen Glasgow als Donovan Phillips Leitch geborene Singer-Songwriter erzählt diese Geschichte sehr charmant am Telefon, ohne Allüren und mit Humor. Aber durchaus auch mit Stolz. "Wir haben die Musikindustrie verändert", so Donovan, der am Mittwoch im Rahmen seiner "Song of the Sea"-Tour in der Stadthalle Erding auftritt. "Wir haben die Poesie, die Philosophie und Literatur, wir haben Mythen und Legenden in das Musikbusiness gebracht." Und er meint damit unter anderem sein Hit-Album "Sunshine Superman" von 1966, das heute als eines der ersten Psychedelic-Pop-Alben gilt.

Die "Song of the Sea"-Tour gehört gewissermaßen noch zu Donovans Retrospektive. Im Jahr 2015 war er bereits auf Jubiläumstour, um 50 Jahre im Musikbusiness zu feiern. Mit den letzten Alben "The Sensual Donovan", "Shadows Of Blue" und "Retrospektive" hat der 70-Jährige ebenfalls zurückgeschaut, die Vergangenheit neu geordnet oder bisher unveröffentlichte Schätze ausgegraben. Das wird ähnlich beim Konzert passieren, für das er seine "Hits" und "Kult-Songs" verspricht sowie zwei oder drei neue Lieder. Denn: Im Laufe des Jahres soll es ein neues Album geben. Genaueres dazu könne man, sagt er, nach seiner Tour auf seiner Webseite erfahren.

Wie das neue Album klingen wird? Anders. "Jedes Donovan Album klingt anders. Aber du wirst noch erkennen und sagen: Das ist Donovan." Und wenn man die letzten Studioalben - "Beat Café" von 2004 mit seinem lässigen, jazzigen Beatnik-Flair und "Ritual Groove" von 2010, das wieder folkiger, "indischer" klingt - als Exempla heranzieht, könnte das durchaus stimmen. Auf die Frage, warum er in den 70ern und auch danach immer wieder längere Konzertpausen gemacht hat, meint er: Das sei "normal und wichtig für einen Dichter, Songwriter oder Künstler, sich zurückzuziehen", und vergleicht das mit einem Bauern, der sein abgeerntetes Feld auch erst mal verlassen muss, bevor dort Neues entsteht.

Untätig war er deshalb nicht und hat stattdessen in den 70ern mit Schauspielerei, Malerei und Fotografie begonnen. In den letzten Jahren hatte er drei Ausstellungen in Washington D.C., Dublin und Athen mit seinen "Sapphographien", auf Fotografien basierende Grafiken, die als Hommage an die griechische Dichterin Sappho entstanden. Wie er zur Bildenden Kunst kam? "Viele Songwriter sind Maler. John Lennon war Maler, George Harrison, Leonard Cohen. Pete Townsend von The Who ist Maler, Ron Wood von den Stones, Bob Dylan, Joni Mitchell. Graham Nash von Crosby, Stills & Nash ist Fotograf", so lautet die allgemeine Erklärung. Und die für die Sapphographien: "Ich hoffe, damit Sapphos Poesie zu helfen."

Was ihm ebenfalls am Herzen liegt, das sind die kleinen Käsereien in Irland, wo der Musiker seit einiger Zeit lebt. Wobei er das eher beispielhaft meint, als die Sprache auf seine Einstellung zum Brexit kommt. "Meine Empfindungen sind sehr einfach. Wenn eine Konföderation wie die EU die lokalen Sprachen zerstört und die lokalen Traditionen, wenn sie kleine Unternehmen nicht unterstützt. Wenn der europäische Markt dem kleinen Käsehersteller in Südirland vorschreibt, wie er Käse zu machen hat, dann ist das ein Problem. Es ist eine wunderbare Sache, zusammenzuarbeiten. Aber wenn es dabei nur ums Geld geht, dann bin ich dagegen."

Auch die Veränderungen, die das Internet für die Musik gebracht hat, sieht Donovan zweischneidig. "Ich bin froh, wenn junge Künstler dadurch mit Jazz, Blues oder Klassik in Berührung kommen, mit Literatur oder Philosophie." Aber wenn finanziell nur Google oder Yahoo profitieren, während ein Songwriter seine Familie nicht ernähren kann, dann sieht er darin ebenfalls ein Problem. Was sich dagegen nicht geändert habe, das ist, "dass jeder von uns Songs braucht." Und diese Songs kommen, so Donovan, auch heute immer noch "aus dem Herzen, aus der Liebe, aus dem Leiden, aus dem Blues, aus der Seele, aus dem Innersten" des Menschen. "Das wird sich niemals ändern."

Donovan, Mittwoch, 23. März, 20 Uhr, Stadthalle Erding, Alois-Schießl-Platz 1

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SZ vom 22.03.2017
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