Konzert:Edelweiß für Pjöngjang

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Die slowenische Gruppe "Laibach" spielt in der Muffathalle das Programm ihres Gastspiels in Nordkorea nach. Damit habe sich, so heißt es, etwas für die gegängelte Bevölkerung verändert

Von Jürgen Moises

Es war ein kleiner Schritt für Laibach und ein großer Schritt für die Menschheit. So fasste Ivan Novak die beiden Auftritte seiner Band in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang im August 2015 zusammen. Ob das stimmt und ob sich für die Menschen in dem autoritär geführten sozialistischen Staat durch die Laibach-Konzerte wirklich irgendetwas verändert hat, lässt sich nur schwer sagen. Nachrichten dringen nur selten aus dem extrem abgeschirmten Land, allenfalls dann, wenn Diktator Kim Jong-un und seine Regierung das so wollen und diese vorher die Zensur passiert haben.

Vielleicht war es am Ende ja doch eher umgekehrt. Der schon immer für kernige Schlagzeilen guten Band bescherte der Nordkorea-Besuch jedenfalls in Europa und Amerika jedenfalls ein ziemlich großes Medienecho. Ein Echo, das auch noch auf der aktuellen "Sound of Music"-Tour der Slowenen nachhallt.

Auf deren Programm stehen, wie man nun auch in der bestuhlten Muffathalle miterleben konnte, zahlreiche Lieder, die Laibach vor 1500 ausgesuchten Zuhörern im Theater der Staatssicherheit in Pjöngjang zum Besten gaben. Lieder wie "Do-Re-Mi", "Edelweiss" und "My Favourite Things", die tatsächlich aus dem berühmten Musical "The Sound of Music" von Richard Rodgers und Oscar Hammerstein stammen. Darin wird die Geschichte der Trapp-Familie nacherzählt, die nach dem Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland zuerst in die Schweiz und dann nach Amerika geflohen ist und dort als "Trapp Family Singers" einigen Erfolg hatte. In Nordkorea und überhaupt in Asien ist das Musical ziemlich populär, was auch einer der Gründe dafür sein könnte, dass man sich dort auf das Abenteuer Laibach eingelassen hat.

Wenn Laibach-Sänger Milan Fras mit seiner Reibeisen-Gurgel-Stimme von "Apfelstrudel" und "Schnitzel with noodles" singt, dann hat schon das eine ziemlich absurde Komponente. Und wenn dazu dann im Hintergrund in einem Video Alpenblumen, Campbell-Konservendosen und marmoriertes Fleisch vom Himmel fallen und sich mit nordkoreanischen Propagandabildern vermischen, nimmt das auch für europäische Augen leicht subversive Züge an. In den Heile-Welt-Versprechen der westlichen Werbung und denen der nordkoreanischen Propaganda kann man ja durchaus gewisse Parallelen erkennen.

Noch verrückter wirkt es, wenn man sich das Ganze so oder so ähnlich live in Nordkorea vorstellt: mit Kim Jong-un und hohen Funktionären im Publikum, mit Zuhörern, die so etwas wohl tatsächlich noch nie gesehen und gehört haben. Oder im Gegenteil: Denen einiges an der Musik und an den gezeigten Bildern vertraut vorkommt. Totalitäres Pathos und bunte Propagandabilder, die auch in Laibachs eigenen Stücken wie "The Whistleblowers" vorherrschen, bekommen die Einwohner Nordkoreas ja tagtäglich präsentiert. Nur eben nicht von fünf seltsamen Slowenen an drei Synthesizern, Schlagzeug und Mikrofon, die dunkle Hemden tragen und weitgehend statuarisch agieren - bis auf Mina Špiler, die ihren Gesang auch mal mit emphatischen Gesten unterstreicht.

Dass es das eine oder andere verdutzte Gesicht im nordkoreanischen Publikum gab, ließ in München ein Video erahnen, das die wesentlichen Fakten zu den Nordkorea-Konzerten zusammenfasste. Vom Münchner Publikum gab es dagegen lautstarken Jubel und Applaus. Für die Musical-Stücke. Für die Cover-Version des Opus-Hits "Live Is Life", die es zusammen mit "B Mashina" aus dem "Iron Sky"-Soundtrack und dem Cover "Each Man Kills The Things He Loves" (im Original von Gavin Friday and the Man Seezer) als Zugaben zu hören gab. Und für das Potpourri aus "Smrt Za Smrt" und verschiedenen Stücken aus den Alben "WAT" und "Spectre", mit dem das Konzert begonnen hatte. Das wurde einem von der slowenischen Band mit der Wucht von Industrial und Techno recht solide um die Ohren gehauen. Das heißt: mit den vertrauten Zutaten, wie sie von der Tate Modern 2012 museal geadelt wurden und wie man sie inzwischen auch von verschiedenen Theater- und Filmprojekten wie "Iron Sky" oder "The Dark Ages" her kennt. Mit denen hatten sich die Slowenen in den Achtzigerjahren im ehemaligen Jugoslawien noch ein mehrjähriges Auftrittsverbot erspielt, sind aber damit schon längst im Kultur-Mainstream angekommen.

Wer Laibach kennt, dem wurde wenig Neues geboten. Bis eben auf die Bilder oder Ahnungen, die man durch die "Sound of Music"-Songs vom Nordkorea-Trip bekommen hat. Der hat die Welt vielleicht nicht wirklich verändert, gefeiert wurden Laibach von ihren Münchner Fans dafür im Nachhinein aber dann doch zu Recht.

© SZ vom 19.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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