Süddeutsche Zeitung

Konzert:Aufdrehen statt aufgeben

Was ist los in Münchens Punkszene? Ein paar alte Bands wollen es noch mal wissen und drängen zurück ins Rampenlicht - "Lustfinger" sogar mit neuem Album

Von Jürgen Moises

Er sei nicht tot, sondern rieche nur komisch. Das hat Frank Zappa bekanntlich über den Jazz gesagt. Was der vor 26 Jahren gestorbene Musiker heute über Punk zu sagen hätte, könnte man sich fragen. Denn auch den gibt es trotz Slogans wie "No Future" immer noch. Aber wenn man Interpreten des auf einen Sex Pistols-Song zurückgehenden Ausrufs glauben kann, dann war "No Future" sowieso nicht als Ausdruck privater Verzweiflung, sondern als Ironie oder Systemkritik gemeint. Dass man als Punkband ganze 40 Jahre überstehen kann, und das sogar in München, das haben zuletzt die Marionetz bewiesen. Die 1981 gegründeten Lustfinger haben das noch nicht ganz geschafft, aber so produktiv, wie sich die Band um den Sänger Tom Fock, dem einzigen Ur-Mitglied, aktuell zeigt, könnte das durchaus was werden.

Denn nachdem 2018 mit "Wir wissen was wir wollen" ein Album erschienen ist, liegt seit April 2019 wieder ein neues Werk der Band vor, die um 1990 herum dank Hits wie "Bitte lieber Staatsanwalt" in einem Atemzug mit den Ärzten und Toten Hosen genannt wurde. Und die man aktuell vor allem als Hymnen-Lieferant für den TSV 1860 kennt. "Es gibt nichts zu bereuen" heißt das neue Album und bietet im Großen und Ganzen weniger Punk als soliden, stadiontauglichen Deutschrock. Der Up-Tempo-Opener "Wir feiern unseren Untergang" geht gut ins Ohr, die Aufsteiger-Hymne "Gegen die Schwerkraft" geht ebenfalls in Ordnung. Manches wie "Niemals vergessen" kommt aber doch etwas uninspiriert daher, und für den Humor in Songs wie "Bumsilaki" braucht es wohl doch ein paar Bier. Da passt es ganz gut, dass Lustfinger an diesem Samstag um 11 Uhr im Giesinger Bräustüberl auftreten.

Ebenfalls in den Achtzigerjahren hat die Münchner Sixties-Punk-Band Land Of Sex & Glory das Licht der Bühnenscheinwerfer erblickt. Und zwar als Trio, das damals aus Georg Feigl alias Georgie Infame (Bass und Gesang), Martin Popiolek alias Marty Mosh (Gitarre) und Berthold Pesch (Schlagzeug und Gesang) bestand. Zu dritt machten sie eine Mischung aus Surfpunk- und Garagen-Rock'n'Roll amerikanischer Prägung. Das gleichnamige Debütalbum kam 1984 in Eigenproduktion heraus. Zwei Jahre später folgte beim Indie-Label Big Store Records das Mini-Album "Showdown" und 1988 ebenfalls dort die Single "(I Always Wanted To Be) Andy Warhol's Moviestar". Danach verliert sich die Aufnahmespur.

Vor ein paar Jahren hat Marty Mosh, der auch bei AD/AC Motörwelt Gitarre spielt und bei unzähligen anderen Bands wie Slutfreak, Born Bavarians oder Einstürzende Musikantenstadl war, Land Of Sex & Glory wiederbelebt. Und zwar zusammen mit der Schlagzeugerin Katrin "Kiki" Lorrig-Wossagk, die früher bei den Ockmoneks und den Moulinettes gespielt hat. Inzwischen ist auch der alte Bassist Georgie wieder an Bord. Ein neues Album gibt es nicht, nur ein paar alte Videos auf Youtube. Dafür kann man Land Of Sex & Glory am Samstag live in der Milla im Vorprogramm der Punk-Pop-Legende Shonen Knife erleben. Das japanische Frauentrio stellt dort sein neues Album "Sweet Candy Power" vor.

Lustfinger, Samstag, 11. Mai, 11 Uhr, Giesinger Bräustüberl, Martin-Luther-Str. 2; Land Of Sex & Glory und Shonen Knife, Samstag, 11. Mai, 20 Uhr, Milla, Holzstr. 28

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Quelle:
SZ vom 10.05.2019
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