Süddeutsche Zeitung

Konzert:Auf einer Wellenlänge

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Das Münchner Duo "Coconami" veröffentlicht bei Trikont sein viertes Album "Saikai"

Von Michael Zirnstein

Einmal fiel den beiden das Leichte schwer. Das war auf der Trauerfeier für Achim Bergmann. Eva Mair-Holmes hatte Coconami um das rührselige "Isarmärchen" für ihren gestorbenen Mann gebeten, aber sie hatten eine andere Idee. "Eine Beerdigung ist eh traurig, wir wollten was Fröhliches," sagt Mitsuyoshi Miyajima, genannt Miyaji. Ein Punksong der Ramones sollte es sein. Aber als Nami Kamata neben ihm auf dem afrikanischen Taschenklavier klimperte und er die Ukulele anschlug, verließ ihn der Mut: "Wir standen 20 Zentimeter von Achims Sarg entfernt, sein Foto war da, ich erinnerte mich, wie er immer zu mir gerufen hatte: ,Hallo, Meister!' - oh Gott, ich musste weinen." Doch es ging. Bald stimmten viele im Saal ein: "Achim is a punkrocker ..." Einige mussten schmunzeln, zum ersten Mal seit Tagen wurde gelächelt.

Coconami waren die Wunschkinder in der Giesinger Musikverlagsfamilie Trikont: Zwei Japaner, die in München Punk, Canzoni, Couplets und mehr auf Ukulelen und Spielzeuginstrumenten spielen, genau deswegen machten Achim Bergmann und Eva-Mair Holmes das Ganze. "Auf eine spielerische Weise können die beiden die Frage beantworten: Was sind Ausländer in Deutschland?", hatte Bergmann im SZ-Interview zum 50. Trikont-Geburtstag geschwärmt, "ich kann die überall hinbringen, die machen die Herzen und Ohren auf." Coconami brachten die Idee vom Vertrauten im Fremden nach London, nach New York, in ihre Heimat Japan, in den Berliner Techno-Club Berghain und so ziemlich auf jede gute Münchner Bühne. Einmal spielten die beiden bei einem "Integrationsgipfel" im Kaisersaal der Residenz vor Konsulen vieler Nationen. Miyaji fühlte sich ein wenig instrumentalisiert. "Aber ich wollte unbedingt hören, was Seehofer zu Integration sagt." Coconami selbst sagen nicht viel zur Integration, sie sind hier einfach daheim. Wenige Tage, bevor Bergmann starb, saßen sie in der Trikont-Küche in Giesing zusammen, und der Chef des anarchischen Labels bekniete sie: "Jetzt müsst ihr mal einen politischen Song machen." Die beiden Musiker zogen nicht recht: "Was wir machen als zwei Japaner in Bayern, ist schon politisch", so Nami. Für das vierte Album hatte Miyaji eh eine andere Idee: Er wollte Songs übers Radio versammeln, weil er sich so nach den Sendern seiner Kindheit in Japan sehnt: Die spielten Hendrix nach Kraftwerk und Klassik. So wie Coconami. Bald erschien ihm das Konzept zu kommerziell. Nur "Turn Your Radio On" kam aufs Album und "Do You Remember Rock 'n' Roll Radio", wieder eine entminte Ramones-Nummer. Da bekommt man Lust auf Radiohören und -machen - wäre ja auch was für Trikont: ein eigener Sender. Songs aus 50 Jahren gäbe es in Massen, auch neues Material, mehr als ein Dutzend Veröffentlichungen stehen 2019 an. Mair-Holmes und ihre Truppe packen wieder an, in Bergmanns Sinn.

Dazu passt der Titel der ersten Coconami-Platte seit vier Jahren: "Saikai", was je nach japanischer Schreibweise "Wiedersehen" oder "Wiederbeginn" bedeutet. "Auch ,letzter Platz'", erklärt Nami, "aber das lassen wir lieber weg." Für das Duo ist die Platte ein Neustart. "Ich hatte zwischendrin keine Lust mehr auf Musik", sagt Miyaji. Irgendwie hatte er auch die Ukulelen satt, backstage fummelte er an seiner neuen Liebe, einer viersaitigen Zigarrenkisten-E-Gitarre aus Memphis herum. "Es war schwer", gesteht Nami, "ich dachte, er mag Coconami nicht mehr und will eine neue Band gründen." Irgendwann kam doch wieder per E-Mail ein Song, den sie sich anhören sollte: Das Traditional "Water Is Wide" in einer japanischen Underground-Version. "Ein Glücksfall", findet Nami, die zu der Zeit auch nicht untätig war: Sie spielte im Film "Grüße aus Fukushima" von Doris Dörrie mit. Mit ihrer alten, Japan-verliebten Regiseurinnenfreundin haben Coconami übrigens gerade wieder Musik für die Fortsetzung von "Hanami" gemacht, noch so ein "Saikai"-Moment.

Mit "Water Is Wide" waren sie also wieder da, aber anders, nun geprägt von Miyajis Zigarrenkiste, die durch Country- und Blues-Riffs holpert und poltert, trabt und bummelt, beschienen von Namis sonniger, immer münchnerischer klingenden Stimme. Sie sind jetzt kein japanisches Ukulele-Duo mehr, einfach ein Duo. Auch mal mit Ukulele. Und immer noch mit der überraschendsten Song-Liste, wie vom Herz eines guten Radio-DJs zusammengehalten. Johnny Cashs deutsche "Walk The Line"-Variante "Wer kennt der Weg" liegt ebenso auf ihrer Americana-Route wie "Haifischbaby", einst ein liebreizend fieser Hit von Joe Dassin für France Gall. "Rote Schuhe" stammt von Funny van Dannen, der einst im Krach Trikont verließ, sich nun aber erfreut bei Mair-Holmes zurückmeldete: "Kommt super, das Lied!" Besonders verbindend war die Zusammenarbeit mit Richard Oemann, dem Spezialisten für gehobenen Schmarrn von "Dr. Döblingers geschmackvollem Kasperltheater" und Café Unterzucker - man ist gegenseitig Fan. Er hat drei Spitzentexte beigesteuert, einen über Aale mit Herpes, einen über Sonnenbrand ("Aua, aua, autsch ...") und einen inspiriert von einem Erlebnis mit auf der Straße tanzenden Senioren in New Orleans: "Das Ende ist nah, doch die Stimmung ist prima, wer so tanzt, denkt gerade nicht ans Sterben, und der pfeift auf Kummer und Bedenken, es ist zu spät, um umzuschwenken, wozu denn noch den Blutdruck senken." Die Alten als neue Punks - das ist schon ein starkes Stück. Und nicht weniger der Wunsch, den die beiden ihrer "mütterlichen Chefin" Eva Mair-Holmes erfüllt haben: Adriano Celentanos "Il Ragazzo Della Via Gluck". Das handelt von der nostalgischen Liebe zu einer Heimat, die von Investoren zubetoniert wird. Wenn man so will, ist es bei aller Lässigkeit das erste politische Stück von Coconami. "Jetzt lacht der Achim", sagte Mair-Holmes glücklich.

Coconami , Do., 22. Nov., 20 Uhr, Volkstheater.

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Quelle:
SZ vom 21.11.2018
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