Süddeutsche Zeitung

Konkurrenz der Kunstmessen:So viel Art war nie

Zur neuen Unübersichtlichkeit der Messen in Düsseldorf, Berlin und Köln.

Von Michael Kohler

Im Grunde könnte alles auch ganz einfach sein. Im Frühling gäbe es das Berliner Gallery Weekend und im Herbst die Art Cologne. Damit wären die beiden großen Handelsplätze des deutschen Kunstmarkts wunderbar über das Jahr verteilt, nichts und niemand käme einander hierzulande in die Quere, und die internationalen Sammler wüssten, an welchen Terminen sich die Reise nach Deutschland lohnt. Alle wären glücklich.

Stattdessen balgen sich mit der Art Düsseldorf, die kommende Woche beginnt, und der Art Berlin zwei junge, eher regional ausgerichtete Messen um den Herbst, und die Art Cologne rückte zuletzt so nah an das Gallery Weekend heran, dass es zwischen den wichtigsten Aushängeschildern des deutschen Kunsthandels richtiggehend knirschte. Für diesen Schlamassel, den sich der angeschlagene deutsche Kunstmarkt eigentlich nicht leisten sollte, gibt es einerseits gute Gründe. Andererseits bleibt es ein Schlamassel, den man in London, New York oder Hongkong niemandem erklären kann.

Je größer die Art Basel wurde, desto kleiner erschien die Art Cologne

Es beginnt schon damit, dass sich nicht wirklich sagen lässt, wann es begann. Möglicherweise bereits in den frühen 1970erJahren, als die Art Cologne noch vom Verein progressiver Kunsthändler wie ein privater, sehr exklusiver Club geführt wurde und Ernst Beyeler darin eine Chance für Basel sah. Während die vorwiegend rheinischen Macher der Art Cologne die ausländische Konkurrenz lieber nicht in allzu großer Zahl mitmachen lassen wollten, setzte die Art Basel von Anfang an auf Internationalität und jagte dem damaligen Kölner Monopolisten praktisch aus dem Stand große Marktanteile ab. Über 40 Jahre später war die Art Basel dann so mächtig, dass ihr Veranstalter, die Schweizer Messegesellschaft MCH, begann, sich überall auf der Welt in regionale Messen einzukaufen. Als die MCH 2017 die Art Düsseldorf mit aus der Taufe hob, sah Daniel Hug, Chef der Art Cologne, darin einen Frontalangriff. Seine Abwehrstrategie bestand darin, bei der siechen Abc-Messe in Berlin einzusteigen, aus ihr die Art Berlin zu machen und der Art Düsseldorf vor die Nase zu setzen. Wirtschaftlich ergab das nicht unbedingt Sinn, aber man wusste, was Hug damit bezweckte. "Es ist wichtig", sagte er, "dass wir uns überlegen, wie wir expandieren können. Wie wir die Art Cologne vergrößern können, ohne eine zweite Messe im Rheinland aufzuziehen." Über die Gründe der Messe Schweiz, sich in Düsseldorf zu engagieren, rätselt die Branche hingegen heute noch.

Mit der Art Basel hing auch der zunächst schleichende, dann rasante Niedergang der Art Cologne seit den 1990er-Jahren zusammen. Je größer Basel wurde, desto kleiner erschien Köln, zumal als nach dem Mauerfall der große Exodus rheinischer Galerien nach Berlin einsetzte. Im Jahr 2007 war die älteste und lange mächtigste Kunstmesse der Welt so desolat, dass sie aus Furcht vor dem Berliner Art Forum (und der Londoner Frieze) ihren traditionellen Herbsttermin aufgab und ihr Heil im Frühjahr suchte. Es war die letzte Idee des glücklosen Messechefs Gérard Goodrow, sein Nachfolger Daniel Hug machte vieles anders, aber dem ungewohnten Apriltermin blieb er treu. Später dürfte er sich darüber geärgert haben: Im Jahr 2011 ging das Art Forum ein, stattdessen war das Gallery Weekend, die Verkaufsschau der großen Berliner Galerien, so wichtig geworden, dass man ihm besser nicht in die Quere kam. Als Hug seine Messe 2017 trotzdem auf den Termin des Weekends legte, drohten etliche Berliner Händler damit, die Art Cologne zu boykottieren. So weit kam es zwar nicht, aber Hug musste schwören, dass dergleichen nie wieder passiert. Da trifft es sich gut, dass Maike Cruse, seine Co-Direktorin bei der Art Berlin, auch das Gallery Weekend organisiert.

Mitte letzten Jahres wusste Hug dann vermutlich nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Die Messe Schweiz stieg bei der Art Düsseldorf wieder aus und kassierte gleich ihre gesamte Regionalmessen-Strategie. Der Grund dafür lag zwar nicht im Kunsthandel, sondern in den Schwierigkeiten der Basler Uhrenmesse und dem finanziellen Desaster eines überteuerten Messebaus. Aber es lief aufs Gleiche hinaus: Die Art Düsseldorf war keine ernsthafte Konkurrenz mehr. Wie zum Beweis verließ die Galerie von David Zwirner, neben Larry Gagosian der weltweit führende Kunsthändler, den Düsseldorfer Messebeirat und kündigte ihr Abonnement auf einen Messestand. Für Hug war das eigentlich ein Sieg auf ganzer Linie. Allerdings hatte er jetzt eine Beteiligung in Berlin, die er so möglicherweise nie haben wollte und bislang mutmaßlich kein Geld einbringt.

Offiziell sieht Hug das freilich anders: "Berlin hat enormes Potenzial", sagte er zum Start der Art Berlin, "das wurde bislang nicht optimal genutzt. Bei so vielen Galerien muss es auch Sammler geben. Die können nicht alle nur ins Ausland verkaufen." Später spitzte Hug die Sache noch deutlich zu: "Das Schlimmste wäre, wenn es nur noch zwei deutsche Kunstmessen in Köln und Düsseldorf gäbe und keine in Berlin." Mit anderen Worten: Die Art Düsseldorf ist verzichtbar, die Art Berlin hingegen nicht. Angst macht Hug der nahe Konkurrent offenbar schon lange nicht mehr. Ohne die Messe Schweiz im Rücken hält er sie generös für "eine Bereicherung des Rheinlands". Seine Sorge sei nie eine Kunstmesse in Düsseldorf gewesen, so Hug, sondern die Basler Kolonialstrategie.

Man kann drei deutsche Messen als Zeichen der Stärke sehen. Aber so fühlt sich das nicht an

So richtig gut steht in Deutschland gerade niemand da. Hug versucht aus der Ferne, die Art Berlin in das erfolgreiche, aber kurzlebige Art Forum zu verwandeln, während er die Art Cologne 2019 vorsorglich auf 192 Galerien verkleinerte. Das Gallery Weekend läuft zwar, wird aber vor allem von mittelständischen Galerien getragen, und die stehen derzeit besonders unter Druck. Und die Art Düsseldorf hat jetzt mit Sandy Angus und Tim Etchells zwar neue Partner, aber niemand weiß, wie viel vom Anfangserfolg der Messe sich dem Lockruf der Schweizer verdankt.

Die Art Düsseldorf ist bislang eine Wundertüte. Gegründet wurde sie von Walter Gehlen und Andreas Lohaus, die zwischen 2003 bis 2016 die Art Fair in Köln leiteten, eine schrille, nicht gerade gehaltvolle, aber einträgliche Kunstmesse für Einsteiger. Im Jahr 2007 hatten sich Lohaus und Gehlen bereits einmal an einem Düsseldorfer Art-Cologne-Killer versucht, allerdings wurde die DC Contemporary nach nur einem Jahr wieder eingestellt. Gehlen, der mittlerweile ohne seinen Kompagnon Lohaus arbeitet, gab sich stets betont bescheiden. Die Art Düsseldorf solle lediglich "ein Baustein für ein starkes Rheinland" sein und Düsseldorf und Köln enger zusammenbringen. Tatsächlich wirkt die Art Düsseldorf wie eine kleine Schwester der Art Cologne. Zahlreiche der mittlerweile rund 100 Teilnehmer stellen seit Jahren ebenfalls in Köln aus, und auch die Idee, verstärkt Galerien und Sammler aus den Beneluxländern ins Rheinland zu holen, wurde in Köln mit gemischtem Erfolg bereits erprobt. Seit dem Einstieg von Angus und Etchells, die Kunstmessen in Hongkong, China und Indien betreiben, hofft Gehlen auf starken Zustrom aus dem asiatischen Raum. Allerdings klingt dies bisher eher nach einem Wunschtraum als nach einem tragfähigen Konzept.

Selbstredend kann man in drei deutschen Kunstmessen auch ein Zeichen der Stärke sehen. Aber so fühlt sich die Lage zwischen Düsseldorf, Berlin und Köln derzeit nicht an. Im internationalen Vergleich sind diese Handelsstandorte nicht so attraktiv, dass sie mit Basel, London oder New York konkurrieren könnten, ein Wechselspiel zwischen Art Cologne und Gallery Weekend käme dem Idealfall wohl sehr nah. Wobei der traditionelle Herbsttermin der Kölner Messe derzeit von Frieze und Fiac Paris prominent besetzt ist. So bleibt der Beziehungsstatus des deutschen Kunsthandels weiterhin - kompliziert.

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Quelle:
SZ vom 09.11.2019
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