Konflikt um Suhrkamp:Feinde, die es ganz genau wissen wollen

Hans Barlach Suhrkamp

In einer AG verlöre der Minderheitengesellschafter Barlach einen Teil seiner Rechte. Das hat das Frankfurter Landgericht nun mit seinem Urteil verhindert.

(Foto: dpa)

Erst sah es so aus, als könne sich Suhrkamp rechtlich neu organisieren. Aber jetzt will das Frankfurter Landgericht den Insolvenzplan verhindern - und spielt damit Miteigentümer Hans Barlach in die Hände.

Von Andreas Zielcke

Das Landgericht Frankfurt am Main hat am Dienstag erneut ein Urteil gegen die Mehrheitsgesellschafterin des Suhrkamp Verlages, die Familienstiftung um Ulla Berkéwicz, gefällt. Das Gericht verbietet es der Stiftung, im Rahmen des in Berlin durchgeführten Insolvenzverfahrens für den alles entscheidenden Insolvenzplan zu stimmen - jedenfalls soweit dieser Plan die Umwandlung der Verlagskommanditgesellschaft in eine Aktiengesellschaft vorsieht.

Barlach, der mit seiner Medienholding AG als Minderheitsgesellschafter an Suhrkamp beteiligt ist, konnte damit einen weiteren symbolträchtigen Zwischensieg in dem grimmigen Streit der beiden Verlagsgesellschafter erringen. Doch trotz des gewaltigen Staubs, der nun zweifellos aufgewirbelt wird, spricht viel dafür, dass er sich dieses Sieges nicht allzu lange erfreuen darf. Das Rechtsmittel, mit dem sich die Familienstiftung gegen das Urteil wehren will ("das Gericht geht bedauerlicherweise von einer sehr einseitig geprägten Würdigung des komplexen Sachverhalts aus, die Familienstiftung wird in die Berufung gehen"), hat gute Erfolgsaussichten.

Kein überraschendes Urteil

Überrascht über den Ausgang des Frankfurter Verfahrens kann kein Beobachter des Streits sein. Das Urteil des Landgerichts hat dieselbe Kammer gefällt, die bereits am 13. August dieses Jahres auf spektakuläre Weise gegen die Stiftung entschieden hatte; es wäre ein Wunder gewesen, hätte sie ihre Haltung darüber, wem die Insolvenz zuzurechnen ist, um 180 Grad gedreht hätte.

Im August hatte sie der Familienstiftung auferlegt, ihre Gewinnforderung gegen den Verlag zu stunden und im Rang hinter alle Gläubigerforderungen zurücktreten zu lassen - was dem Insolvenzverfahren den Boden entziehen soll (dieses Verfahren befindet sich in der Berufungsinstanz). Nun greift die Kammer jetzt auch direkt in das Insolvenzverfahren ein, indem sie dessen Kernstück, den Insolvenzplan, gegenüber dem Minderheitsgesellschafter wirkungslos zu machen versucht.

In beiden Verfahren spielt derselbe Vorwurf gegen die Stiftung die maßgebliche juristische Rolle: Nach Barlachs Meinung ebenso wie nach der des Gerichts habe die Familienstiftung das Insolvenzverfahren "treuwidrig" herbeigeführt, um Barlach zu benachteiligen und "aus der Gesellschaft zu drängen". Wegen dieser behaupteten treu-, wenn nicht gar "sittenwidrigen" Verursachung der Insolvenz dürfen, sagt das Gericht, der Stiftung keine Vorteile daraus erwachsen und Barlach als angeblich ausgetrickstem Minderheitsgesellschafter keine Nachteile.

Dass der seit sieben Jahren tobende Krieg zwischen den beiden Gesellschaftern nun in einer solchen juristischen Expertenschlacht kulminiert, ist natürlich zuallererst eine Folge des Zerwürfnisses der beiden Protagonisten, es ist aber auch der Tatsache geschuldet, dass die umstrittene Insolvenz des Verlags nach Regeln der Insolvenzordnung zu klären und abzuwickeln ist, die erst letztes Jahr eingeführt worden sind und für die Grundsatzentscheidungen der höchsten Gerichte noch ausstehen. Eine perfektes Setting für verfeindete Parteien, die es wissen wollen.

Im Zentrum steht die Kollision zweier Rechtsgebiete, nämlich zwischen dem Recht der Gesellschafter, das im Handelsrecht und in den Gesellschaftsverträgen des Suhrkamp Verlages geregelt ist, und dem Insolvenzrecht, das die Sanierung eines in die Krise geratenen Unternehmens und die optimale Befriedigung seiner Gläubiger bezweckt. Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht verfolgen völlig verschiedene Regelungsziele, die nicht zufällig bei Suhrkamp, wo die Gesellschafter in nahezu allen substantiellen Fragen über Kreuz liegen, zusammenstoßen.

Ist die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft rechtens?

Nach Ansicht der Anwälte der Familienstiftung hat in einem solchen Fall das Insolvenzrecht eindeutig Vorrang, Ansprüche aus dem Gesellschaftsvertrag, die der Rettungslogik des Insolvenzverfahrens widersprechen, müssen zurücktreten. Umgekehrt wenden Barlach und eben das Frankfurter Gericht ein, dass vor allem die Mehrheitsgesellschafterin gerade in der Krise keineswegs von ihren gesellschaftsvertraglichen Rücksichten und Treuepflichten gegenüber dem Minderheitsgesellschafter entbunden ist.

Vereinfacht lässt sich der Widerspruch der beiden Positionen auf die Frage zuspitzen, ob die Kommanditgesellschaft, die den jetzigen Rahmen des Suhrkamp Verlages bildet, in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden kann oder nicht. In der KG hat Barlach umfangreiche Mitsprache- und damit auch Vetorechte, die er in der Aktiengesellschaft verlieren würde. Sein Kapitalanteil bliebe derselbe, doch der Vorstand der AG könnte weitgehend frei von den Vorstellungen der Aktionäre die Verlagspolitik gestalten.

Sollte aber das Urteil des Landgerichts Bestand haben, wäre die Umwandlung blockiert - das jedenfalls unterstellt das Gericht - und alles bliebe beim Alten. Der siebenjährige Krieg fände kein Ende.

Überzeugende Argumente

Doch die Argumente der Gegenseite sind überzeugend. Das Insolvenzrecht wurde genau aus dem Grunde reformiert, der jetzt Suhrkamp so zu schaffen macht: Die Gesellschafter, die sich in alten Insolvenzverfahren oft als destruktive Kräfte bei der Lösung der Krise erwiesen haben, werden nun direkt in das Insolvenzverfahren einbezogen. Vor allem im Insolvenzplan werden ihre Rechtspositionen nach den Bedürfnissen der Sanierung ultimativ gestaltet. Das ist ein absolutes gesetzliches Novum, ein juristischer Kommentator bezeichnet es als "geradezu revolutionär". In jedem Fall geht die Absicht des Gesetzgebers unmissverständlich dahin, dass die rechtlich relevanten Gesellschafterinteressen hier und nur hier geltend zu machen sind. Selbst wenn ein Gesellschafter den Insolvenzantrag "rechtsmissbräuchlich" gestellt haben sollte, müsste dies vom Insolvenzgericht geprüft (und der Antrag eventuell abgewiesen) werden.

Dass bei einer Umwandlung in eine neue Rechtsform (wie hier in eine Aktiengesellschaft) bisherige Mitspracherechte der Kommanditisten aufgegeben werden, ist keine ungewollte Nebenwirkung der Gestaltungsrechte des Plans, sondern erklärte gesetzliche Absicht. Es war und ist ja der hoffnungslos gewordene Konflikt der beiden Suhrkamp-Gesellschafter, der auf der Basis der Kommanditistenregeln nicht zu lösen ist, aber in der neuen Rechtsform aufgelöst werden kann, ohne dass Barlach seinen Beteiligung verliert. Wenn es eines Beweises für den Sinn des neuen Insolvenzrechts bedürfte, böte ihn Suhrkamp anschaulich genug.

Tatsächlich lauern hinter dem grundsätzlichen Konflikt eine Menge weiterer juristischer Streitfragen, die womöglich am Ende sogar den Ausschlag geben. So ist schon zweifelhaft, ob das Landgericht Frankfurt örtlich zuständig ist, zumindest für den größeren Teil des Streitstoffes (hier sieht der Gesellschaftsvertrag Berlin als Gerichtsstand vor). Zweifelhaft ist aber vor allem auch, ob Barlach und das Gericht mit dem Urteil überhaupt rechtlich das erreichen, was sie erreichen wollen - die Umwandlung verhindern.

Denn die Abstimmung über Insolvenzplan durch die Gläubiger läuft nach den Regeln des Insolvenzrechts und wäre wohl selbst dann gültig, wenn die Stiftung trotz des Stimmverbots für den Plan stimmen würde. Auf jeden Fall kann Barlach nicht ohne Weiteres als allein stimmberechtigter Gesellschafter den Plan ablehnen, da das Gesetz ihm ein "Obstruktionsverbot" auferlegt. Genaueres wird man wissen, wenn die schriftliche Begründung der Frankfurter Entscheidung vorliegt. Und die Berufungsentscheidungen für beide Urteile der Kammer dürften ohnehin bereits im Herbst fallen.

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