Komödie:Weihnachten kaputt

Frohes Fest Theater Ingolstadt

Herrliche Trottel: Sascha Römisch und Ulrich Kielhorn (v. l.) als Polizisten.

(Foto: Jochen Klenk)

Jochen Schölch inszeniert Anthony Neilsons "Frohes Fest" am Theater Ingolstadt als handwerklich präzise Umsetzung des Irrsinns der Vorlage

Von Egbert Tholl

Das Schöne an den Exemplaren aus der Gattung Weihnachtsvernichtungsstück ist, dass man sich nach ihrem Besuch für sämtliche Katastrophen scheiternder, familiärer Besinnlichkeit gerüstet fühlt. "Frohes Fest" von Anthony Neilson ist da keine Ausnahme, allerdings würde man den gebürtigen Schotten gerne einmal kennenlernen, um zu erfahren, wie ein Typ so drauf ist, in dessen Kopf ein solches Stück entstehen kann. Jedenfalls: Jochen Schölch geht den Irrsinn vollkommen ungerührt an und bastelt daraus am Theater Ingolstadt mit handwerklicher Präzision eine Aufführung, die mit zunehmender Dauer immer furioser wird, bis das Publikum gluckst und jappst.

Zwei Polizisten, Gobbel und Blunt, müssen einem alten Ehepaar, Garson und Balthasar, am Weihnachtsabend die Kunde überbringen, dass ihre Tochter bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen sei. Während sie vor der Häuschentür stehen und sich nicht zu klingeln trauen, werden sie von der militanten Pädophilenjägerin Gronya aufgebracht und geraten in handfeste Bedrängnis. Endlich drinnen, glauben die beiden Alten ob der zögerlich vorgebrachten Botschaft ihren Hund Mimi tot, was bei Balthasar ein Grinsen auslöst und bei den Polizisten die allergrößte Unfähigkeit, den Sachverhalt richtigzustellen. Schließlich kommen noch Gronyas Tochter Carol und Pater Shandy vorbei, sie auf der Suche nach ihrem Hund, den allerdings Polizist Gobbel bereits aus Versehen gemeuchelt hat, er um betäubt im Schrank zu landen, aus dem er in Strapsen hervorkommt, da er auf dem Weg zu einer Benefiz-Aufführung der "Rocky Horror Show" war. Zu guter Letzt trifft der Alten Tochter Carol (noch eine Carol, beide gespielt von Sarah Schulze-Temberge) ein, sie ist nicht tot, das Unfallopfer ist eine Freundin, der sie vor Kurzem ihren Wagen verkaufte - mehr braucht man zur Lage von Neilsons schwarzem Humor nicht sagen.

Fabian Lüdicke hat fürs frohe Fest eine hübsche Reihenhauszeile gebaut, very british, die sich bald öffnet und den Nukleus des Irrsinns, das Wohnzimmer freigibt. Andrea Fisser hat die Leute liebevoll und unmissverständlich angezogen. Zuerst denkt man sich, ein, zwei Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt vor dem Ingolstädter Theater wären eine gute Vorbereitung gewesen, aber dann macht das Geschehen selbst besoffen genug. Und wenn am Ende das Interieur sorgsam zerlegt und der Lack der Lebenslügen ab ist, stellt sich fast schon ein Kater ein: Garson und Balthasar haben sich nie geliebt, der gejagte Pädophile ist der (nicht auftauchende) Bruder Gronyas, und beim Pater weiß man eh nicht so recht. Nur die beiden Polizisten bleiben konsistent: Sie sind anfangs Trottel und bleiben Trottel.

Aber herrliche Trottel. Sascha Römisch und Ulrich Kielhorn spielen sie mit viel Leidenschaft für eine Anarchie, die nur das Gute will und dabei alles zerlegt. Ingrid Cannonier verleiht der verwirrten Garson auch noch in deren exhibitionistischen Anfällen Anmut, Wolfgang Jaroschka ist ein herrlich ungerührter Balthasar. Peter Polgar irrlichtert als Pater Shandy durch die Szenerie und wird arg gebeutelt, Sarah Horak stellt die Figur der Gronya ganz in den Dienst einer von jeder Subtilität befreiten, dafür umso wuchtigeren Eindeutigkeit. Jochen Schölch hat das Stück vor zehn, zwölf Jahren mal am Metropol-Theater gemacht. Keine Ahnung, wie es damals war, aber jetzt läuft's rasant ab wie am Schnürchen.

Frohes Fest, noch bis Mitte Februar, nächste Aufführung: Sonntag, 9. Dezember, 19 Uhr, Theater Ingolstadt.

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