Süddeutsche Zeitung

Komödie:Der Dritte bleibt unsichtbar

Lesezeit: 2 min

"Annähernd Alex", eine Teenager-Beziehungskomödie unter dem blauen Himmel der amerikanischen Westküste, heftig inspiriert von Filmgrößen wie Alfred Hitchcock, Quentin Tarantino, Audrey Hepburn und ihren Hollywood-Filmen.

Von Fritz Göttler

Alarm im Höhlenpalast, der weitläufigen Touristenattraktion der Stadt, zwei Jungs wollen den dort ausgestellten Malteser Falken klauen. Nicht den "echten", aus dem legendären Film mit Humphrey Bogart, nur eine einfache Imitation - wie das meiste, das im Höhlenpalast aus der Geschichte Amerikas präsentiert wird, die hier, an der Westküste, immer auch die Geschichte Hollywoods ist.

"Porter, sie stehlen den Malteser Falken", vielleicht ist dieser Alarmruf der jungen Bailey der entscheidende Moment in der Beziehung zwischen ihr und Porter, sie sind beide im Höhlenpalast angestellt, sie an der Kasse, ein Sommerjob, er als Wachmann. Als sie die diebischen Jungs beobachten, kommen sie sich sehr nahe, seine Nasenspitze berührt ihre, sie kann sehen, wie der Pulsschlag in seiner Halsader pocht. "Waren seine Schultern schon immer so breit? Aus der Nähe wirkt er noch größer. Und statt darüber zu fantasieren, ihm in den Magen zu boxen, was meine normale Reaktion auf Porter sein sollte, möchte ich plötzlich etwas anderes, das meinen Atem schneller gehen lässt."

Porter, der alte Blödmann - natürlich findet Bailey ihn eigentlich unausstehlich, den braun gebrannten Surferboy, mit den Narben am Arm, von damals, als er den Vater vor einem Hai gerettet hat. Ein gewisser schnoddriger Charme, der nicht wirkungslos bleibt - ein Nippeldebakel provoziert in ihrer Brustregion. Ziemlich irritierend für Bailey, die notorische Ausweicherin, die sehr erfahren darin ist, jeder Situation sich erst mal zu entziehen, um die Kontrolle zu behalten - ihr Vorbild ist der Artful Dodger, der elegante, wendige Taschendieb aus Charles Dickens' "Oliver Twist".

Bailey kam an die Westküste, um eine Zeitlang beim Vater zu leben, weil die Mutter und ihr Neuer sie allmählich nerven. Und weil sie einen Freund hier im Westen hat, Alex, den sie aber nur per Mail kennt, mit dem sie sich intensiv über Filmerfahrungen austauscht und der gern mit ihr am Strand Hitchcocks "Der unsichtbare Dritte" angucken würde. Sie verrät Alex erst mal nicht, dass sie in seiner Stadt ist - auch hier will sie die Annäherung selber steuern, aber ihre Bemühungen werden nun empfindlich gestört - aber auch: weitergebracht - durch die Präsenz von Porter.

Ein Teenager-Doppelspiel, von Bailey ein wenig überdramatisiert, manchmal pathetisch, manchmal ganz zart. Und alles noch mal potenziert durch Assoziationen an große Hollywoodfilme - das fängt mit der Vespa an, die der Vater für Bailey angeschafft hat: Audrey Hepburn, "Ein Herz und eine Krone". Die Vespa macht Porter misstrauisch, schaut das Ostküstengirl Bailey auf ihn, den Surferboy, herab? Der vereitelte Falken-Coup bleibt nicht die einzige Action-Sequenz, so ist Samuel L. Jacksons Satz "Auch wenn es dein Ego erschüttert, aber das ist nicht das erste Mal, dass ich eine Knarre vor der Nase habe" aus "Pulp Fiction" am Ende durchaus angebracht. Natürlich ist die Geschichte Hitchcock näher als Tarantino, und es ist hilfreich, wenn man im Hinterkopf behält, dass "Der unsichtbare Dritte" eine coole love story ist, aber auch von einem Mann mit einer leeren Identität erzählt.

Jenn Bennett: Annähernd Alex. Aus dem Englischen von Claudia Max. Königskinder/Carlsen Verlag, Hamburg 2016. 479 Seiten, 19,99 Euro.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3265573
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 29.11.2016
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.