Kommentar:Showroom für die Branche

Der Streit um die Führung der Berliner Bauakademie zeigt vor allem eines: Niemand kann sagen, was sie leisten soll.

Von Jörg Häntzschel

Kungelei", "Hinterzimmerpolitik", so lauten die Vorwürfe, seit der SPD-Abgeordnete Florian Pronold zum Gründungsdirektor der Berliner Bauakademie ernannt wurde. Die Kritik entzündete sich vor allem an zwei Punkten: dem Eindruck, die Politik habe das Projekt, statt es Fachleuten zu übergeben, einem der Ihren zugeschanzt. Und der Empörung darüber, dass Pronold die Qualifikation fehle, die laut Stellenausschreibung zwingend verlangt war. Den zweiten Punkt fand das Berliner Arbeitsgericht plausibel genug, um das Besetzungsverfahren vorläufig zu stoppen.

Die Debatte, in die sich zuletzt auch Pronold mit wütenden Interviews eingeschaltet hat, brachte aber auch einige Klärung. Das Projekt Bauakademie ist politisch verwaist. Ob es am Wechsel der Zuständigkeit für das Bauwesen liegt, das Horst Seehofers Innenressort zugeschlagen wurde, oder am Parteibuch von Pronold: Seit einer dürren Presseerklärung von Baustaatssekretärin Anne Katrin Bohle hat sich aus dem Ministerium niemand mehr geäußert. Bohle sei nicht zu sprechen, hieß es auf alle Anfragen der SZ. Es ist, als fühle sich das Innenministerium nicht verantwortlich.

Schon bei der Ausschreibung unterliefen ihm Fehler, obwohl sogar die Beraterfirma Kienbaum eingeschaltet war. In der Anzeige war von einer Stelle für fünf Jahre die Rede, obwohl sie nur für vier Jahre vergeben wird. Online und in Print erschienen zwei unterschiedlich lange, in einem Punkt auch inhaltlich abweichende Versionen der Ausschreibung.

Vor allem aber, und das ist die zweite Erkenntnis, hat Pronold mit seinen Interviews unfreiwillig klargemacht, wo das eigentliche Problem der Bauakademie liegt: Es gibt kein klares Programm für diese Institution. Jeder darf sich davon etwas anderes erträumen.

Gründungsdirektor Pronold kann sich Restaurants, eine Bar, auch einen Club vorstellen

Laut Satzung dient sie der "Förderung von Bildung, Wissenschaft und Forschung sowie Kunst und Kultur auf den Gebieten des Bauwesens (Architektur- und Ingenieurwesen, Handwerk und Bauwirtschaft), der Stadtentwicklung, des Wohnens und der Baukultur". Die Autoren des offenen Briefs sprechen von einem "relevanten und international angesehenen Architekturzentrum, als lebendigem Ort der Architekturdebatte, der Baukultur". Wolfgang Schoele jedoch, der Vorsitzende des Fördervereins Bauakademie, will dort "dem Bereich der Wertschöpfungskette Bauen, die einen der größten Beiträge zum Bruttosozialprodukt in Deutschland leistet, die dringend erforderliche Plattform hinsichtlich Wissenschaft und Forschung" bieten.

Und Pronolds Vorstellungen? Er spricht von einer "hybriden Nutzung" mit "Partnerorganisationen, die zum Teil auch Geld mitbringen", 25 Prozent der Fläche sollen gewerblich genutzt werden. "Auch Restaurants, eine Bar oder ein Club" seien denkbar. Und eine schöne Dachterrasse. Auf das eigentliche Programm kommt er erst anschließend zu sprechen. Er ist für vieles offen. Nur ein "Architekturzentrum" sei die Akademie nicht.

Es gehe ums Bauen. Man könnte sich diese unwürdige Wortklauberei sparen, wenn klar wäre, was die Verantwortlichen sich von dem Projekt eigentlich versprechen. Eine anspruchsvolle Kulturinstitution, einen Showroom für die Baubranche oder eine Event-Location mit Galerie? Die frühere Bauministerin Barbara Hendricks ließ Pronold einen Ideenwettbewerb veranstalten, um das zu beantworten. Er reichte die Entscheidung an den zukünftigen Direktor weiter. Und der ist nun er selbst - ohne es sein zu dürfen.

So kommt man nicht weiter. Entweder das Verfahren wird neu gestartet oder man legt das Projekt auf Eis. Über Pronolds Eignung sollten wir jedenfalls nicht mehr diskutieren.

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