Kommentar:Planen und Bauen in Schilda

Matzig, Gerhard

Beispiel Lindenoper: Das Land hat das Planen verlernt - das zeigt die Fettsucht von Baukosten und Bauzeiten bei Prestigeprojekten.

Von Gerhard Matzig

Als das Rathaus der Schildbürger fertig war, stellte man fest, dass es finster war im neuen Haus. Ups, Fenster vergessen. So musste der Sonnenschein mit Waschkörben ins Haus getragen werden. Wenn nun nach jahrelangen Sanierungs- und Umbauarbeiten an diesem Samstag, nein, nicht in Schilda, sondern in Berlin endlich die neue alte Staatsoper Unter den Linden gefeiert wird, so tut man das mit einem Freiluftkonzert.

Gut so. Die Licht-Frage stellt sich dann schon mal nicht. Beleuchtungsaspekte werden erst am 3. Oktober relevant, wenn Robert Schumanns "Faust-Szenen", inszeniert von Jürgen Flimm und dirigiert von Daniel Barenboim, als erste Premiere nach der Sanierung zu bewundern sind. Wundern würde man sich allerdings nicht, hätte man in Berlin außer den Fenstern oder den Lichtschaltern auch andere Nebensächlichkeiten wie das Dach vergessen. Schon jetzt weiß Flimm im FAZ-Interview: "Die Probebühne ist zu klein und falsch ausgestattet."

Im Ernst? Die Lindenoper ähnelt dem Berliner Großflughafen, der Hamburger Elbphilharmonie oder dem Stuttgarter Bahnhofsprojekt insofern, als sie sehr viel später als geplant fertig wird. Und sehr viel teurer als gedacht. Könnte denn dann nicht wenigstens die Probebühne richtig dimensioniert sein?

Zur Erinnerung: Ursprünglich sollte der strittige Umbau 239, dann 242 und schließlich 288 Millionen Euro kosten. Jetzt sind es mehr als 400 Millionen Euro, die ein Umbau kostet, dessen Bauzeit sich von drei auf sieben Jahren verlängert hat. Gibt es in Berlin eigentlich irgendwo ein von Steuergeldern finanziertes Bauvorhaben, das sich noch nicht komplett lächerlich gemacht hat? Allzu schadenfroh sollte man aber auch in München nicht sein. Dort wird in einigen Tagen - nach Renovierungsarbeiten, die fünfeinhalb Jahre gedauert haben - das Gärtnerplatztheater wiedereröffnet. Die Baukosten haben sich auch an der Isar von 71 Millionen auf 121 Millionen Euro bald verdoppelt.

Die Fettsucht der Baukosten und Bauzeiten ist mittlerweile so eklatant, dass man sich fragen muss, ob Deutschland das Bauen verlernt hat. Das Bauen vielleicht nicht, das Planen aber offensichtlich schon. Das gilt vor allem für öffentliche Projekte. Naturgemäß sind die genannten Beispiele stümperhaft verfehlter Planungsziele kaum zu vergleichen, eines aber eint sie alle: Die Vorhaben sind komplex, sie wurden aber aus Angst vor der Öffentlichkeit in der Planungsphase versimpelt. Und heruntergerechnet. Billig gemacht. Abnickbar. Zudem hat die Politik den (früh warnenden) Experten kein Gehör geschenkt. Das im Dunkeln gelassene Volk will aber weder Waschkorblicht noch die Wahrheit in Scheiben. Gerade bei Prestigeprojekten muss man sich endlich ehrlich machen am Bau. Von Anfang an. Die Planungskultur in Deutschland wird sonst zur lachhaften Leidkultur.

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