Kommentar:Kunst kontra Korrektheit

Der Bezirk Schwaben hat sich für eine einfache Lösung entschieden: Er sperrt die Gedenkstätte Prosektur im Kloster Irsee zu und beendet damit die Debatte über den Verbleib des Triptychons Beate Passows im Vorraum des Gebäudes

Von Sabine Reithmaier

Der Bezirk Schwaben hat sich für eine einfache Lösung entschieden: Er sperrt die Gedenkstätte Prosektur im Kloster Irsee zu und beendet damit die Debatte über den Verbleib des Triptychons Beate Passows im Vorraum des Gebäudes. Ein Diskurs, der in der Öffentlichkeit erst eingesetzt hat, auch wenn sich hinter den Kulissen in den vergangenen Monaten bereits hitzige Auseinandersetzungen abspielten, genährt von persönlichen Eitelkeiten und Animositäten.

Dabei hat niemand bezweifelt, dass es an der Zeit ist, über ein neues Konzept für die kleine Gedenkstätte nachzudenken. Die Ikonografie der Erinnerungskultur hat sich verändert; was vor 20 Jahren noch bedenkenlos gezeigt wurde, hat heute keinen Platz mehr. Natürlich ist die Frage nach der Form der Darstellung von Opfern der sogenannten Euthanasie mehr als berechtigt. Passows Triptychon aber ist ein Kunstwerk - genau dieser Umstand scheint in der Debatte keine Rolle zu spielen. Die Irritation, die das 22 Jahre alte Werk auslöst, entzündet sich nur an den Fotos: Originalaufnahmen der Opfer, geknipst von Nazi-Ärzten oder Nazi-Pflegekräften. Euthanasie-Forscher Michael von Cranach, jahrzehntelang ärztlicher Direktor des Bezirkskrankenhauses Kaufbeuren, dem die Bilder anonym zugespielt wurden, hat sie Passow zur Verfügung gestellt. Die Künstlerin schuf daraus ein eindringliches Werk, das das Entsetzliche der Morde, den Schmerz, die Pein nacherleben lässt. Kunst darf das - sie muss nicht lang nachfragen, ob die Darstellung politisch korrekt ist oder gerade der aktuellen Gedenkstättenkultur entspricht. Informationstafeln werden nie ausreichen, um den Schrecken der Nazi-Zeit bildhaft werden zu lassen. Dazu bedarf es der Kunst.

Trotzdem ist es zulässig, darüber zu diskutieren, ob das Triptychon in der Prosektur an der richtigen Stelle hängt. Zumal Beate Passow es seinerzeit nicht für diesen Ort geschaffen hat, sondern für eine Ausstellung. Über all die Jahre wurde darauf verzichtet, dem Werk eine Erklärung zur Seite zu stellen, die dem Betrachter verdeutlicht, dass alles, was er sieht, nicht in der Prosektur passierte. Das ist nicht dem Kunstwerk anzulasten.

Vielleicht wäre das Triptychon in Kaufbeuren, dem, wie inzwischen bekannt, eigentlichen Tatort, besser aufgehoben - zumal es dort noch gar keine Gedenkstätte gibt. Nur in einem Keller des Bezirks verschwinden, sollte das Werk nicht.

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