Kommentar:Geld gewinnt

Nächste Woche beginnt mit der Venedig-Biennale eine der wichtigsten Kunst-Schauen. Unbekannte Künstler ohne reiche Sponsoren haben dort kaum eine Chance.

Von Catrin Lorch

Dass man in den Hallen der Biennale von Venedig Gemälde und Skulpturen einst direkt kaufen konnte, erzählt man sich heute noch mit Erschauern. Dazu der ganze Pomp, mit dem das Unternehmen in Anlehnung an die Weltausstellungen gegen Ende des 19. Jahrhunderts gegründet wurde, die auftrumpfenden Pavillons, die sich Länder wie Belgien, Frankreich, Deutschland und England in den Park an der Lagune setzten.

Die venezianische Kunstschau, die stolz darauf verweist, unter den gut 300 Biennalen, die es weltweit gibt, eine der ältesten zu sein, hat in der Nachkriegszeit dann einiges unternommen, um ihrem eigenen Ruf zu entkommen. Carlo Scarpa gestaltete Anfang der Siebzigerjahre das Gelände neu. Es gab Protestausstellungen wie die Ausgabe im Jahr 1974 nach dem Militärputsch in Chile. Harald Szeemann, einer der bedeutendsten Kuratoren überhaupt, wurde Ende der Neunzigerjahre eingeladen, dem unsortierten Treiben in den Giardini eine hochklassige Ausstellung in den alten Schiffswerften des Arsenale entgegenzusetzen.

In diesem Jahr hat sein Nachfolger Ralph Rugoff auf der Teilnehmerliste seiner Schau unter dem Titel "Mögest du in interessanten Zeiten leben" gerade mal 79 schlank ausgewählte Namen aufgeführt, darunter so renommierte Künstler wie Stan Douglas oder Ed Atkins und vor allem Künstlerinnen wie Rosemarie Trockel, Alexandra Bircken, Hito Steyerl, Julie Mehretu, Nairy Baghramian. Mehr als die Hälfte der Teilnehmer sind weiblich. Auch in die Pavillons von Deutschland, Frankreich und England, die am Rand zur Lagune gegenüberliegen, ziehen drei Frauen ein: Natascha Süder Happelmann, die unter diesem Pseudonym für die Bundesrepublik antritt, Laure Prouvost für Frankreich und die Britin Cathy Wilkes.

Wie zu Kaiserzeiten konkurrieren in Venedig immer noch Nationen um die Preise

Doch das ist die Fassade. Denn es ist keinem Kurator in den vergangenen Jahrzehnten gelungen, die Verhältnisse wirklich zu verschieben. Am 11. Mai feiert die Kunst zudem erstmals in einem Land ihre Vernissage, das von Rechtspopulisten regiert wird. Von Politikern, die sich aus nationalistischen Gründen gegen die Ausfuhr von Leonardo-Werken sperren und die Budgets für die Kultur so zusammenstreichen, dass sogar superreiche Sammler dagegen demonstrieren. Wie zu Kaiserzeiten konkurrieren in Venedig immer noch Nationen um die Preise. Und wie einst können sich Aussteller im offiziellen Begleitprogramm für den Preis einer Messekoje einmieten.

Auch auf dem von Ralph Rugoff verantworteten Terrain regiert der Markt. Schon weil die Mammutschau unterfinanziert ist. Das Drittel des Budgets, das die öffentliche Hand beisteuert, wird, auch das ist gute Tradition, direkt in der Lagune für Transporte und Handwerker ausgegeben. Und das in Zeiten, in denen zeitgenössische Kunst so teuer und begehrt ist wie nie zuvor. Im Gegensatz zur Kasseler Documenta 14 beispielsweise, die aus ihrem Etat Werke selbst produzierte und den Künstlern Honorare zahlte, muss ein Kurator in Venedig daraufsetzen, dass potente Galeristen die Werke finanzieren, transportieren, versichern und aufbauen. Gerade bei jungen oder unbekannten Namen kann nicht mit Provisionen aus Verkäufen kalkuliert werden. Dass François Pinault vor vier Jahren direkt aus der Ausstellung, die Okwui Enwezor mit einer Lesung aus Karl Marx' "Kapital" begann, Männer-Akte von Baselitz für gut acht Millionen Euro kaufte und in sein Privatmuseum am Canal Grande verschiffte, ist unvergessen. Statt dass die geladenen Künstler unter gleichen Bedingungen antreten, potenziert sich in Venedig ihr Marktwert: Wer schon erfolgreich ist, gewinnt, alle anderen sind Staffage.

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