Kommentar:Berliner Winkelzüge

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Der Trompeter Till Brönner wollte in Berlin ein "House of Jazz" gründen, mit Konzertsaal, Club, Big Band, und besorgte Gelder vom Bund. Jetzt lehnt der Berliner Kultursenator Klaus Lederer das Projekt ab - Berlin brauche eher Basiskultur.

Von Andrian Kreye

Eigentlich gebührt dem Berliner Kultursenator Klaus Lederer Applaus dafür, dass er das House of Jazz nicht haben will. Im November hatte der Trompeter und Jazzdozent Till Brönner gemeinsam mit dem CDU-Abgeordneten Rüdiger Kruse verkündet, dass in der Alten Münze ein Jazz-Zentrum nach dem Vorbild des New Yorker "Jazz at Lincoln Center" entstehen sollte, also mit Konzertsaal, Club, Big Band und internationaler Bedeutung. 12,5 Millionen Euro Bundesmittel hatten die beiden auch besorgt.

Klaus Lederer sagte nun der dpa: "Wir brauchen nicht nur Leuchttürme, wir brauchen vor allem Arbeits- und Produktionsräume für Musiker der freien Szene." Er wolle sich auch vom Bund nicht vorschreiben lassen, was für eine Kulturpolitik er zu machen habe. Sehr sympathisch, wenn sich in Berlin mal einer gegen die vielen bundesdeutschen Anspruchshaltungen wehrt. Nur ist an diesem Satz doch sehr viel falsch.

Braucht Berlin denn schon staatlich geförderte Übungsräume? In München und Hamburg sind die überlebensnotwendig. Das hieße im Umkehrschluss, dass Klaus Lederer im Namen der Berliner Politik vor der Gentrifizierung kapituliert. Was das langfristig bedeutet, zeigt die Entwicklung Münchens unter Bürgermeister Ude. Dann verkommt eine Metropole im Kielwasser eines Immobilien-Booms zum Gastspielort.

Zum anderen braucht Berlin sehr wohl Leuchttürme. Sein internationaler Ruf als Kulturstadt ist besser als seine Kulturpolitik. Projekte von internationaler Bedeutung müssen sich oft selbst finanzieren, wie das famose Fotozentrum C/O Berlin. Oder sie kriegen provinziell Saures, wie Chris Dercons Volksbühnen-Intendanz. Oder sie werden in Machtkämpfen zerrieben, wie nun das House of Jazz.

Noch ist keine Entscheidung gefallen. Und Till Brönner hat fünfzehn Jahre für das Projekt gekämpft, der lässt sich nicht entmutigen. Er würde auch gerne mit Lederer reden: "Wir haben ihm seit seinem Amtsantritt Gesprächsangebote gemacht", sagte er der SZ. Bisher gab es nur eine Absage (auch für die SZ war Lederer nicht zu erreichen). "Das Angebot steht noch immer." Es gäbe auch keinen Anspruch auf die ganze Alte Münze: "Die Fläche dort ist dreimal so groß wie das, was in den Plänen für das House of Jazz skizziert wurde."

Warum Lederer das jetzt nicht haben wolle, verstehe er nicht. "Mir erschließt sich nicht, was gegen Exzellenzprojekte oder Hochkultur einzuwenden ist." Ideologisch müsste Klaus Lederer als Vertreter der Linken ein Jazzhaus eigentlich begrüßen. Jazz stand immer für Widerstand und Befreiung. Das galt auch für den Jazz in seiner etablierten Form. Es wäre natürlich sympathisch, wenn Lederer pragmatische Machtkämpfe wichtiger sind als das Programm seiner Partei. In diesem Fall aber eher provinziell.

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