Kommentar:Auf Kosten des Profils

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Catrin Lorch ist Kunstredakteurin im Feuilleton. (Foto: Bernd Schifferdecker)

Die Absage der Werkschau von Joan Jonas beschädigt das Image des Hauses der Kunst in München. Dabei ist dessen Kapital gerade sein einzigartiges Programm, das es auch international konkurrenzfähig gemacht hat.

Von Catrin Lorch

Das Haus der Kunst steht seit dem Abgang seines künstlerischen Leiters Okwui Enwezor in diesem Sommer verwaist da. Es ist still geworden um die Institution, die monatelang Schlagzeilen machte mit Personal- und Finanzproblemen. Endlich ist nun Gelegenheit, auf die künstlerische Bilanz des Hauses hinzuweisen - auf das in den vergangenen Jahren von zwei herausragenden Kuratoren geformte Profil als einem der bedeutendsten Orte für zeitgenössische Kunst überhaupt. Der ehemalige Documenta-Leiter Enwezor mit seinem nigerianisch-amerikanischen Hintergrund und der aus Belgien stammende Chris Dercon haben die Münchner Ausstellungshalle geprägt mit teils epochalen Ausstellungen zu Paul McCarthy, Ai Weiwei, Louise Bourgeois oder zuletzt dem weltweit beachteten "Postwar"-Projekt. Sie gilt als eine erste Adresse für die zeitgenössische Kunst.

Dass beide Direktoren nicht aus Deutschland stammen, fällt vor allem deshalb auf, weil in Deutschland die Anstellung von Kuratoren oder Museumsdirektoren aus dem Ausland die Ausnahme ist, während deutsche Kunsthistoriker ganz selbstverständlich in die USA, nach Florenz oder London wechseln. Doch profitierte München gerade von der Vernetzung eines Starkurators wie Enwezor, der nebenbei die Biennale in Venedig leitete, und dem Horizont von Dercon, der Künstlern aller Kontinente verbunden ist.

Warum man daran jetzt erinnern sollte? Weil die Berufung eines Nachfolgers ansteht und davon alles abhängt bei solch einer Institution. Es heißt, die zuständige Ministerin Marion Kiechle habe die Personalie zur Chefsache erklärt und höre sich in der Szene nach Namen um. Sie wird ahnen, dass sie sich vor den Landtagswahlen mit einer spektakulären Berufung profilieren könnte. Die Kuratoren freuten sich über die Ansage des Ministeriums, man werde an der Ausrichtung auf zeitgenössische Kunst festhalten. Und der kaufmännische Direktor Bernhard Spies - als Sanierer geholt - tat in Interviews kund, er habe sich "nie als Bremser verstanden", werde das Haus der Kunst auch während des anstehenden Umbaus offen halten und nicht ins Programm hineinregieren.

Doch tatsächlich scheint Spies mit der zeitgenössischen Kunst mehr zu fremdeln, als er zugibt. Das wurde Ende dieser Woche spürbar, als er umstandslos die für diesen Herbst geplante Werkschau von Joan Jonas absagte, aus Kostengründen. Die ist über Jahre gemeinsam mit der Londoner Tate Modern erarbeitet worden, wo sie gerade mit viel Erfolg gezeigt wird. Der Imageschaden ist kaum kalkulierbar, das Haus der Kunst war bislang eine der wenigen Ausstellungshallen, mit denen solche Museen überhaupt kooperieren. Dass Spies künftig jedes einzelne Projekt auf seine Wirtschaftlichkeit überprüfen will, klingt vernünftiger, als es ist. Heute rechnet man an großen Institutionen mit Mischkalkulationen, man leistet sich Sperriges - und gleicht Verluste mit Publikumslieblingen aus.

Irritierend wirkt auch die Ansage der Ministerin, bei der Wahl eines Nachfolgers für Enwezor sei "Deutschsprachigkeit" durchaus ein Kriterium, auch wenn sie sich hastig verbesserte, zumindest die "Bereitschaft Deutsch zu lernen" sei wichtig. Nein, so möchte man der Ministerin zurufen, es gibt an dieser Stelle wichtigere Kriterien. Marion Kiechle, von Haus aus Wissenschaftlerin wie Bernhard Spies, sollte die Skandale endgültig hinter sich lassen. Dazu gehört, dass sie die Bedeutung der Münchner Institution erkennt, deren Ausstellungen nicht nur bei deutschen Akademie-Studenten, sondern auch bei New Yorker Kritikern und französischen Großsammlern auf der Agenda stehen. Und die reisen nicht an, weil ein Haus hervorragend geführt ist. Das einzigartige Programm ist das Kapital dieser Institution.

© SZ vom 28.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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