Kolumne:Vorschlag-Hammer

Mit den Menschen drängt es nun auch die Kultur nach draußen. Über sehr verehrte und sehr verschmähte Spielarten von Open-Air-Veranstaltungen

Von Bernhard Blöchl

Die Dreißig-Grad-Marke ist geknackt, die Sechziger bleiben zweitklassig, und am Samstag frohlockt Helene Fischer im Olympiastadion. Willkommen in der neuen Woche. Willkommen zurück bei den Vorschlag-Hämmern. Und es gibt auch gute Nachrichten. Denn mit den Menschen, ob Fußballfan oder nicht, drängt es auch die Kultur nach draußen. Es muss ja nicht die atemlose Tchibo-Tante aus Schlagerland sein, deren Gesängen man im Freien lauscht. Wie nah tiefer Groll und große Liebe beieinanderliegen, kann man an der Agenda im Olympiapark ablesen, die im Sommer bekanntlich prall gefüllt ist. In ein paar Tagen also die von mir sehr verschmähte Frau Fischer, vor gut einer Woche die von mir sehr verehrte Band Muse, die mit Bravour einen der drei Headliner des Rockavaria-Festivals gab. Inzwischen ist das neue Album der britischen Bombast-Rocker erschienen, und die Science-Fiction-Oper namens "Drones" ist - von den törichten Texten einmal abgesehen - eine Demonstration des modernen Art-Rock, von deren Komplexität die Herrschaften von AC/DC keines ihrer immer gleichen Lieder singen können (wie man kürzlich, ebenfalls im Stadion, bestätigt bekam).

Nun kennt die Open-Air-Kultur viele Spielarten. In unmittelbarer Nähe zur größten Musikbühne der Stadt hat seit ein paar Wochen das Kino am Olympiasee geöffnet. Filme im Freien haben ja den Vorteil, dass die Bilder noch größer, noch horizonterweiternder erscheinen, als sie ohnehin konzipiert sind, wozu junge Hollywood-Produktionen wie das Stephen-Hawking-Biopic "Die Entdeckung der Unendlichkeit" (9.6.) und das kunstvolle Schelmenstück "Big Eyes" (10.6., Originalfassung mit Untertiteln) passen. Auch in den anderen Freiluftkinos hat die Saison inzwischen begonnen. Beim Kino, Mond & Sterne auf der Seebühne im Westpark kann man den mitreißenden Outdoor-Film "Der große Trip - Wild" mit Reese Witherspoon auf Wanderschaft zu sich selbst nachholen (9.6.) oder das intensive Musikdrama "Whiplash" (10.6.). Und beim erdig-schönen ViehhofKino auf dem Gelände der ehemaligen Großviehhalle empfehle ich in diesen Tagen die neuseeländische Vampir-Satire "5 Zimmer, Küche, Sarg" (11.6.). Und Scarlett Johansson auf Riesenleinwand ist sowieso immer eine Schau ("Lucy", 10.6.).

Manche Kultursparten haben es lieber drinnen, was man zuweilen bedauert. Vea Kaiser in einem Freilufttheater zu lauschen statt, wie geplant, im Literaturhaus, ist schon deshalb eine verlockende Träumerei, weil ihr neuer Roman "Makarionissi" über weite Strecken in Griechenland spielt und der Freiheitsdrang der Heldin schier grenzenlos ist. Die seit ihrem Debüt "Blasmusikpop" unermüdlich gefeierte Kaiser aus Österreich wird freilich alles dafür tun, um auch den geschlossenen Raum in eine "Insel der Seligen" zu verwandeln, wie der Untertitel ihres zweiten Buchs heißt (16.6., 20 Uhr).

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