Kolumne Spurensuche:Innere Glut

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Macht anhaltende Hitze die Menschen aggressiv? Das Kino ist sich da sicher - ein typischer Sommer-Thriller ist "Der Swimmingpool" (1969).

Von Susan Vahabzadeh

Die Welt verändert sich ständig - nicht aber die großen Fragen, die Menschen bewegen. Wir suchen in alten Filmen und Kunstwerken nach wiederkehrenden Motiven. Macht anhaltende Hitze die Menschen aggressiv?

Alain Delon, der eiskalte Engel, hat eigentlich recht oft Hitzköpfe gespielt, die nur so tun, als hätten sie ihre Gefühle im Griff. Einer von ihnen ist Jean-Paul in Jacques Derays "Der Swimmingpool" von 1969. Wenn er provoziert wird, bleibt sein Gesicht ausdruckslos, aber man sieht die Glut in den Augen.

Schon in den Sechzigern entdeckten Forscher den "long hot summer effect", aber das Kino hat es schon vorher gewusst: In der Hitze gedeiht die Gewalt, Thriller spielen oft in Sommernächten, an heißen Tagen kochen die Emotionen hoch, die Freude so sehr wie der Frust. Am Anfang von "Der Swimmingpool" profitiert die Liebe von der Urlaubsstimmung: Man spürt die Backofengluthitze förmlich, wenn Marianne (Romy Schneider) und Jean-Paul (Delon) auf die Terrasse des Hauses in Saint-Tropez treten, wo sie den Sommer verbringen; in manchen Einstellungen sieht es so aus, als gingen drinnen und draußen fließend ineinander über. Jean-Paul und Marianne liegen sich am Rand des Pools in den Armen, ihre Haare sind klebrig und feucht, und nichts scheint das Glück der beiden stören zu können.

Der Schein trügt. Harry (Maurice Ronet) taucht auf, Mariannes Ex, und gibt an mit seiner Tochter und seinem Sportwagen, mit dem er in sieben Stunden und fünfzehn Minuten von Paris hinuntergerauscht ist. Marianne lädt Harry und Pénélope - die ganz junge Jane Birkin, die mehr haucht, als dass sie spricht - zum Bleiben. Ein Fehler. Harry treibt Jean-Paul langsam zur Weißglut. Hast du, fragt er Jean-Paul, die Literatur ganz aufgegeben? Weise Entscheidung! Und dann das: Er sei davon überzeugt, erzählt Pénélope Jean-Paul, Marianne jederzeit zurückerobern zu können. Jean-Paul tut ganz cool, aber seine Wut kann man fast mit Händen greifen. Ganz langsam eskaliert dann eine Rangelei, abends am Pool, als die Frauen schon im Bett sind. Harry hat angefangen, es ist seine eigene Schuld, dass er im Pool landet. Und als sich Jean-Paul dann an den Rand hockt, eigentlich, um ihn herauszuziehen - da bietet es sich förmlich an, ihn unterzutauchen . . . Eine großartige Szene, weil es ja wahrscheinlich genau so verläuft, wenn einer nicht merkt, dass er alle Rationalität über Bord geworfen hat. Es ist eine heiße Nacht, es wird Jean-Paul verraten, dass an den trockenen Kleidern, die er neben den Pool legt, kein Schweiß ist - niemand kann sie getragen haben an diesem Abend. Als Marianne ihm das sagt, ist es schon wieder ganz ruhig geworden in Saint-Tropez, alles wirkt verlangsamt, als würde die Hitze sogar die zirpenden Grillen lähmen.

© SZ vom 08.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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