Kolumne "Mediaplayer":In einem fremden Land

Spencer Tracy versucht Nazi-Deutschland zu verstehen; David Lean schickt eine alte Frau nach Indien; Mario Bava hetzt Vampire gegen Herakles - Highlights aus den Neuveröffentlichungen von DVD und Blu-ray.

Von Fritz Göttler

Ein alter Mann macht sich noch mal auf, zu einer schwierigen Exkursion in ein wildfremdes Land. Ein ehemaliger Richter aus der amerikanischen Provinz, nicht wiedergewählt in seinem Bezirk, nun zum Vorsitz berufen bei einem der Nürnberger Prozesse gegen Vertreter des Nazi-Regimes, Staatsanwälte oder Justizbeamte. Urteil von Nürnberg, 1961, von Stanley Kramer. Deutschland im Trümmer- und Wiederaufbaujahr 1947, Spencer Tracy ist der alte Richter. Er versucht sich ein Bild zu machen von einer verbrecherischen Diktatur und den Menschen, die in ihr lebten, von Schuld und Schuldbewusstsein, aber auch von der kalten Arroganz juristischer Logik. Eine Großproduktion mit Staraufgebot, Marlene Dietrich, Maximilian Schell oder Burt Lancaster. Mit Ouvertüre, in der das Westerwald-Lied erklingt, und einer Pausenmusik, einer Intermission. Der Nationalsozialismus als eine Art Klassenkonflikt. Einmal wird Tracy von Dietrich - eine Adlige, die Witwe eines Generals, der als Kriegsverbrecher hingerichtet wurde - in ein Klavierkonzert eingeladen, auf dem Rückweg deutet sie ihm das Lied von Lili Marleen, bei sich erzählt sie dann von einem Empfang, bei dem auch Lancaster war, einer der Angeklagten in Tracys Prozess: Als Hitler sich an seine Frau ranmachte, kontert er ihm kalt und überheblich: Ich habe nicht so viel dagegen, dass Sie so schlechte Manieren haben. Aber es widerstrebt mir, dass Sie so bourgeois sind. (Capelight)

Eine alte Frau macht sich noch mal auf in ein wildfremdes Land, eine britische Lady fährt nach Indien, das damals, in den Zwanzigern, unter britischer Herrschaft steht. Sie will ihren Sohn besuchen, der in der Verwaltung dort arbeitet, und nimmt eine junge Frau mit, die ihn heiraten will: Reise nach Indien, 1984, von David Lean, nach dem Roman von E. M. Foster. Es ist Leans letzter Film, voller Fremdheit und Unerklärlichkeit, er hat selber das Drehbuch geschrieben und den Schnitt gemacht. Die wunderbare Peggy Ashcroft ist die alte Lady, einmal tritt sie in eine nächtlich friedliche Moschee und wird von einem jungen Doktor angefahren, der dort meditiert - sie müsse die Schuhe ausziehen, wenn sie diesen Ort betrete. Das habe ich, sagt sie, und er versöhnlich: Entschuldigen Sie, aber die meisten vergessen das, vor allem, wenn niemand da ist, der es sehen könnte. Und sie: Gott ist da... Da lässt er sie einen Blick auf den weiten Ganges werfen. Später werden sie alle in einen Skandal verwickelt, da geht es um Vergewaltigung, blutige Verletzungen,Traumata, Rassismus. (Weltkino)

Ein böser kleiner Thriller um Rache und Vergeltung und Identitätentausch, 10 x 10, der erste Spielfilm von Suzi Ewing, mit Luke Evans und Kelly Reilly. Ein Mann kidnappt auf einem Parkplatz eine Frau, die er wochenlang observierte, schleppt sie in sein Haus und sperrt sie in einen schalldichten Raum. Architektur und Design sind von kalter Funktionalität, es ist eine komfortable Kommandozentrale. Sie soll sich zu ihrem Namen bekennen und zu einer Tat, die er ihr zuschreibt. Sie setzt sich mit dem einzigen Mittel zur Wehr, das ihr bleibt- sie weckt Zweifel in seinem Herzen. (Ascot Elite)

Noch eine Exkursion auf fremdes Terrain, ebenfalls aus dem Jahr 1961, Vampire gegen Herakles von Mario Bava. Bei Action aus der Antike gehört meist ein Abstieg in die Unterwelt zum Programm, die wird in diesem Film von Christopher Lee dominiert. Bavas zweiter Film, er hat auch selber die Kamera gemacht. Mit seinem Blick für Komposition und Farben hat er bei vielen Kollegen ausgeholfen, was in dieser Ausgabe der Bava-Edition von Koch Media ausführlich dokumentiert ist.

Schrecken aus Deutschland, aus den Nachkriegsjahren, Zwei Herren im Anzug, von Josef Bierbichler, nach seinem Roman "Mittelreich". Eine Vater-Sohn-Fantasie, also spielt auch Bierbichlers Sohn Simon Donatz mit. Bierbichler nimmt die Vergangenheitsbewältigung ernster als Herbert Achternbusch, mit dem er sich viele Jahre in seiner Wirtschaft am Starnberger See herumtrieb und in dessen Filmen er oft spielte. Es geht um die Angst vor Flüchtlingen, dem Untergang, dem Absaufen. (Warner, X-Edition)

Noch mal die Briten in Indien, im 19. Jahrhundert, Aufstand in Sidi Hakim. Schwerelose Action, ohne jede Rücksicht auf rassistische Vorurteile und Stereotype. Cary Grant, Victor McLaglen, Douglas Fairbanks Jr. als drei britische Sergeants gegen die Thugs, indische Rebellen, deren Motto ,Kill, Kill!' ist. Howard Hawks sollte den Film drehen, er holte William Faulkner zur Drehbuchmitarbeit, aber weil sein Bringing Up Baby/Leoparden küsst man nicht ein schlimmer Misserfolg war, kam George Stevens zum Einsatz. Eine 'Verfilmung' des berühmten Gedichts von Rudyard Kipling, für das kleine Studio RKO nicht gerade billig, die Rechte daran zu kriegen. (Schröder Media)

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