Süddeutsche Zeitung

Kolumne Mediaplayer:Deutsche Fundstücke

Ein moralzertrümmerndes Detektivstück von Curt Goetz und Michael Pfleghar, dazu ein unheimlich somnambules Gutsherren-Melodram von Hans H. König - plus weitere Neuerscheinungen auf DVD und Video-on-Demand.

Von Fritz Göttler

Whodunit mit Lohengrin, ein klassisches Wer-war's-Detektiv-Puzzle: Wer hat Lu umgebracht? Die "Tote von Beverly Hills", die man in der kalifornischen Wüste fand in dem Film von Michael Pfleghar, 1964. Wolfgang Neuss ist der Detektiv, er ist offen für alles. Heidelinde Weis ist Lu, hexen- und spinnenhaft, in aller Unschuld, aber ohne jede Luderhaftigkeit, vom Teenager, der den Schwanenritter anhimmelt, in der Oper, bis zur Archäologengattin in Beverly Hills, mit langen schwarzen Handschuhen und Stiefeln. Nie sollst du mich befragen ... "Ein fremdes, andersartiges Geschöpf, beinahe eine Girl-Collage; die für eine neue Weiblichkeit stehen könnte, vielleicht sogar für ein anderes Menschenbild", schreibt Hans Schifferle. "Sie will den Blick des Mannes brechen, jenen Blick des Begehrens, der nach der Filmwissenschaftlerin Laura Mulvey bestimmend ist für das klassische Kino." Nach dem Roman von Curt Goetz, der virtuos die Stilformen der bürgerlichen Moral zertrümmerte, und auch Regisseur Michael Pfleghar war gern ikonoklastisch tätig. Bei einer exquisiten Party in einer Luxusvilla versammeln sich die Gäste (und Verdächtigen) in makelloser Abendkleidung im Swimmingpool. Marienbad im Bassin. (Moviemax)

Von einem Rendezvous mit einer Toten in New York erzählt der Film "Jenny / Portrait of Jennie", 1948, von William Dieterle. Der mittellose Maler Eben Adams begegnet ihr immer wieder, ihre Erzählungen gehen weit in die Vergangenheit zurück und von Mal zu Mal ist sie erwachsener geworden. Die Jahre der Depression, im winterlich kalten New York. Jennifer Jones ist Jennie, unschuldig verführerisch, Joseph Cotten ihr Maler. Gleich am Anfang werden Euripides, Robert Browning und Keats zitiert: Beauty is truth, truth beauty, das ist alles, was wir auf Erden wissen und alles was wir wissen müssen. Ein übersinnliches Experiment zum innersten Wesen des Kinos. David O. Selznick ist der Produzent, der entscheidende Mann hinter "Gone with the Wind", der später Jones heiratete. Ursprünglich wollte er den Film über mehrere Jahre drehen, sodass die Darstellerin natürlich altern könnte. Das Portrait der Jennie bringt am Ende Farbe ins New Yorker Grau. (Cargo Records)

Eine Selznick-Produktion der Dreißiger, "Denen ist nichts heilig / Nothing Sacred", von William A. Wellman. Carole Lombard als Provinzgirl, das raus will aus seiner kleinen Welt. Weil sie angeblich eine Radiumvergiftung hat, wird sie von einer Zeitung nach New York geholt für ihre letzten Tage, als Scoop, und in die Galerie heldenhafter Frauen gestellt, neben Katharina die Große und Lady Godiva. Aus der Zeit, als Journalismus und Showbusiness prächtig zusammengingen. (Schroeder Media)

Ein schöner kleiner Politthriller, "Domino" von Brian de Palma. Der Kampf gegen den IS, Schauplatz Kopenhagen. Es gibt ein Selbstmordattentat auf dem roten Teppich, und zum Finale eins in der Stierkampfarena von Almeria, mit Drohne. Die "Game of Thrones"-Stars Nikolaj Coster-Waldau und Carice van Houten praktizieren als Kopenhagen-Cops ihren Job mit angenehm altmodischen Methoden, und de Palma beschwört wieder Hitchcock, in den Treppenhäusern und über den Dächern der Stadt, diesmal den Anfang von "Vertigo", wenn James Stewart an der Regenrinne hängt. Die CIA installiert sich in einem Dutzend-Reihenhaus, inszeniert eiskalt ihre Verhöre unter dem ungerührten Blick eines Buddha. Als Coster-Waldau sich wundert, woher sie denn ein persönliches Detail über ihn wüssten, kriegt er zur Antwort: Wir sind Amerikaner, wir lesen eure E-Mails. (Koch Films)

Heftigste Traumatisierung, in bruchstückhafte Märchenform gebracht, das ist das Kino von Hans H. König. Ein unheimlicher Somnambulismus durchzieht seine Filme, "Rosen blühen auf dem Heidegrab" und "Heiße Ernte" sind legendär geworden. Sein letzter, "Jägerblut", 1957, ist nun auf DVD erschienen, außerdem "Der Fischer vom Heiligensee", 1955: Ein Gutsherrenmelodram, Lil Dagover als Schlossbesitzerin, Albert Lieven als ihr Neffe, der Edith Mill zur Frau haben will, die Tochter. Reste von alter Geschichte ragen in die Gegenwart, eine im See versunkene Kirche, auf deren Turm, ganz in romantischer Tradition, ein Liebespaar sich imaginiert. Der Film sympathisiert mit Lieven, der in der alten Welt nicht mehr heimisch ist und in der neuen kleinbürgerlichen nichts verloren hat. Der Film endet, wie "Jenny", mit einem fiesen Sturm. (Filmjuwelen)

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4574953
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 26.08.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.