Deutscher Alltag:War Tor gewest

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Eine gewisse Frau Homburger verkündete, die FDP habe kein Führungsproblem. Vielleicht kann man sie auf die argentinische Fußballmannschaft ansetzen?

Kurt Kister

Das Leben ist ungerecht. Längst sollte man im verdienten Vorruhestand sein, was man sich würde leisten können, hätte zum Beispiel die Familie eine Immobilie in der Münchner Innenstadt besessen oder wenigstens eine kleine Zeitung. Man hätte dann so ein Grundstück, wie das Erben der zweiten oder dritten Generation tun, meistbietend verscherbeln können. Wie schön wäre es, in einem von diesem Geld erworbenen, hübsch renovierten Bauernhof bei Montalcino jetzt darüber nachzudenken, was passiert wäre, wenn den Engländern das zweite Tor gegen Deutschland zuerkannt worden wäre.

War Tor gewest: Bundestrainer Joachim Löw traegt ein kleines Fußball-Tor über den Trainings-Rasen. Auch eine Möglichkeit, die Argentinier zu verunsichern. (Foto: ddp)

Sowohl die Geschichte mit dem nie besessenen Grundstück als auch die Bundespräsidentenwahl und natürlich das Schicksal der Engländer sind Beweise dafür, dass das Leben aus einer Kette nicht oder falsch gegebener Tore besteht. Man bemüht sich wahnsinnig, glaubt die Dinger menschlich, politisch und moralisch reinzumachen und dann wird Christian Wulff doch noch Bundespräsident.

Wulffs Rumpelkür kann mit dem ersten Wembley-Tor verglichen werden, dem richtigen von 1966, das nicht drin war, aber trotzdem so gewertet wurde. Merkel knallte also den Wulff unter die Latte, der gauckte zweimal vor der Linie auf und Westerwelle befand als aserbaidschanischer Linienrichter: "War Tor gewest".

Der scheinbare Gegenbeweis

War genau so viel Tor gewest, wie FDP kein Führungsproblem hat. Gewiss, eigentlich buchstabiert man "Führungsproblem" so: M-E-R-K-E-L. Aber jüngst gab es auch eine Klausur der FDP-Spitze. Eine gewisse Frau Homburger, von der es heißt, sie sei FDP-Fraktionschefin, verkündete, dass die FDP kein Führungsproblem habe, weil bei der Klausur niemand ein Führungsproblem angesprochen habe.

Ontologisch ist das ein interessanter Argumentationsgang: Nur das existiert, worüber man redet. Der Mensch, so sieht das die FDP, kann Zustände, gar Dinge erscheinen oder wieder verschwinden lassen, indem er über sie spricht oder nicht.

Zwar gibt es im wirklichen Leben manchen scheinbaren Gegenbeweis für diese These. Man spricht zum Beispiel nicht mehr viel über Joschka Fischer, und trotzdem ist der ehemalige Außenminister rein stofflich eine so dichte Materiezusammenballung, als würde man über ihn so viel reden wie gegenwärtig über, sagen wir, den selbstgeschnitzt aussehenden, aber maradonnisch spielenden Fußballer Thomas Müller.

Im Sinne des Ersten Homburgerischen Theorems soll nun geschwiegen werden über die FDP und mehr noch über die argentinische Nationalmannschaft, auf dass sich beide, Letztere vielleicht noch am Samstagnachmittag, als Problem auflösen mögen.

© SZ vom 03.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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