Kolumne: Deutscher Alltag:V wie Feuilleton

Würde man nicht als Vogel wiedergeboren, müsste man unbedingt wieder Journalist werden, am liebsten Feuilletonist. Oder Inhaber eines Gebetsfähnchenverkaufsstands in Tibet.

Kurt Kister

Es gibt so viele Dinge, zu denen etwas zu sagen wäre, wenn nicht schon so viele Menschen etwas dazu gesagt hätten. Was ließen sich für Garstigkeiten über trunkene Bischöfinnen schreiben oder auch über all jene hochgebildeten Leute, die sich wegen des kleinen Hegemann-Schmuddel-Buchs fürchterlich befehden, obwohl sie noch nicht einmal die Islam-Debatte ganz ausgetragen haben.

Irgendjemand, es könnte der Autor dieser Kolumne gewesen sein, hat einmal gesagt, "Politik" komme aus dem Griechischen und bedeute auf Deutsch so viel wie "ich habe recht", wohingegen "Feuilleton" aus dem Französischen stamme und sinngemäß übersetzt "ich habe recht und du bist doof" heiße.

Auch als Tier würde man sich wohlfühlen

Damit hier nun nicht eine weitere Kontroverse entsteht, sei ausdrücklich versichert: Stünde man vor der Wahl, nach dem Tode in einer anderen Erscheinungsform wiedergeboren werden zu müssen, würde man, müsste man unbedingt wieder Journalist werden, selbst am liebsten Feuilletonist sein. Noch lieber aber wäre man der Inhaber eines Gebetsfähnchenverkaufsstands am Fuße des heiligen Berges Kailash in Tibet.

Auch als Tier würde man sich wohl fühlen, am meisten vielleicht als Hoatzin. Das ist ein Vogel, der im Amazonas-Urwald auf Bäumen lebt und, solange er jung ist, am Ende der Flügel Krallen hat, was eher unvogelig, dafür aber archeopteryxisch ist. Der Hoatzin ist ein Zwischenwesen, eine Art Baumeidechsenhuhn, und dadurch, wenn man so will, der Feuilletonist unter den Vögeln. Das ist eine interessante, vielleicht sogar schöne Lebensform.

Eigentlich aber möchte man nicht als Journalist wiedergeboren werden. Auch in einem neuen Leben würde einem das öffentlich-rechtliche Fernsehen keine sechs Frauen im Wechsel zuschanzen, wie es der NDR gerade bei einem anderen Journalisten in Hamburg tut.

Der Chef beschwert sich beim Unterchef

Und man hat es auch satt, dass einem Westerwelle, Lafontaine und Seehofer unablässig ihre eigenen Fehler vorwerfen und behaupten, die Presse sei an allem schuld, und nicht die Politik sei schlecht, sondern nur "die Kommunikation" funktioniere nicht.

Das mit der Kommunikation ist ein sehr beliebtes Argument. In irgendeiner Firma befiehlt der Vorstand dem Chef, Leute rauszuwerfen, und wenn es dann eine schlechte Presse für die Firma gibt, beschwert sich der Chef beim Unterchef, dass die ganze Sache "nicht gut kommuniziert" worden sei.

Natürlich ist das nur eine jener typischen Als-Chef-steht-es-mir-zu-jeden-Unsinn-zu-sagen-Floskeln, denn selbst gute Kommunikation macht eine schlechte Sache nicht besser. Das gehört zu den Grundweisheiten des Lebens, die allerdings Politiker, Chefs und manchmal sogar Feuilletonisten nicht einsehen wollen. Wäre man ein wiedergeborener Hoatzin, würde das alles einen nicht berühren.

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