Kolumne: Deutscher Alltag:Eine verhängnisvolle Affäre

Betrachtet die Koalition aus Union und FDP und wie sehr sich die Parteien für das schämen, was sie miteinander getan haben, dann wird es Zeit über die Natur des One-Night-Stands zu reflektieren.

Kurt Kister

Wer lange genug gelebt hat, wird immer wieder mal Verbindungen mit anderen Menschen aufgebaut haben, die er früher oder später bereut hat. Das beginnt bei überwiegend erotisch motivierten, manchmal von Rauschmitteln beförderten Zusammenkünften für eine Nacht oder auch nur für fünfzehn Minuten, setzt sich fort über diese schrecklichen Arbeitsgruppen in der Firma und endet nicht bei der schwarz-gelben Regierungskoalition.

Letztere ist so ziemlich das Schlimmste, was einem an Fehlbeziehung widerfahren kann, wie die vergangenen Monate erwiesen haben - selbst wenn man bedenkt, dass auch eine schnelle Nummer nach dem Betriebsfest etwas sehr Übles ist. Gerade um die Osterzeit, da es die Hinwendung des Menschen zum Menschen ganz grundsätzlich zu hinterfragen gilt, ist es angebracht, über die Natur des One-Night-Stands zu reflektieren.

Man begegnet auf einer Party oder irgendeinem Blubber-Event einem Menschen, den man aber eigentlich nur als Spiegel der eigenen Eitelkeit respektive Lust wahrnimmt. Man sieht sich selbst im Anderen und findet dies, berauscht von Alkohol, wahnsinnig toll. Man schwätzt um sein Leben, und wenn man es dann für diesen Abend gewonnen zu haben glaubt, legt man sich mit sich selbst und dennoch zu zweit hin. Danach ist man traurig, schon allein weil man erkennt, dass man nur wieder ein Erlebnis mit sich selbst hatte.

So ähnlich ist das auch mit der schwarz-gelben Koalition. Die ist gewissermaßen ein One-Night-Stand, aber leider einer, der nicht enden will. Das, was Boris Becker in so einem Fall in der Besenkammer getan hat, wurde, natürlich rein politisch, von Union und FDP Ende September 2009 vollzogen. Seitdem aber sind die Beteiligten in der Besenkammer geblieben, vielleicht auch, weil sie sich dafür schämen, dass sie miteinander etwas getan haben, wofür sie, wie jede Woche klarer wird, nicht geschaffen sind: Die Kanzlerin kann ihren Außenminister-Lautsprecher nicht ausstehen, der Seehofer lässt seinen Söder gegen die FDP von der Leine, Griesgram Schäuble würde die Steuersenker am liebsten aus dem Kabinett werfen.

Was für ein schrecklicher Irrtum war es doch, dass sich Schwarz und Gelb einst so umturtelten. In dieser Beziehung wurde jener kleine Rest, aus dem sich vielleicht etwas hätte entwickeln können, mit dem Koalitionsvertrag ganz am Anfang erstickt. Die Erinnerung an diesen gemeinschaftlich begangenen Totschlag hält die Koalitionspartner nun zusammen. Es gibt diesen alten Hitchcock-Film Cocktail für eine Leiche, in dem die beiden Mörder ihr Opfer in einer Truhe verstecken und rund um die Truhe eine Party feiern. Man sollte in Merkels Besenkammer mal einen Blick in die dort bestimmt stehende Truhe werfen.

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