Kolonialismusdebatte:Simulierte Aufarbeitung

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Die Säule von Cape Cross. (Foto: Deutsches Historisches Museum)

Das Deutsche Historische Museum restituiert die "Säule von Cape Cross". Doch die Rückgabe, die man da feiert, verdeckt, das es bei den wirklich bedeutenden Raubkunst-Fällen kaum Bewegung gibt.

Von Jörg Häntzschel

Dass die Deutschen die sogenannte Säule von Cape Cross, einen Steinsockel mit einem steinernen Kreuz darauf, 1893 an der Küste des heutigen Namibia geraubt haben, ist unstrittig. Deshalb wird das Deutsche Historische Museum (DHM), in dessen Sammlung sie sich befindet, es zurückgeben. Das hat das Kuratorium des DHM am Donnerstag beschlossen. Am heutigen Freitag wird Kulturstaatsministerin Monika Grütters bei einer Pressekonferenz die Rückgabe als Beleg dafür feiern, dass es Deutschland ernst sei mit seinem Bekenntnis, geraubte Objekte aus den Kolonien zurückzugeben.

Doch viel Grund zum Feiern bietet diese Restitution gerade nicht. Natürlich ist sie zu begrüßen. Der portugiesische Seefahrer Diogo Cão hatte das Kreuz Ende des 15. Jahrhunderts an der afrikanischen Westküste aufgestellt. Die Deutschen schafften sie einfach fort. Allerdings fällt die Restitution den Beteiligten auch nicht schwer. Künstlerisch wie historisch hält sich der Verlust für das DHM in Grenzen. Und auch in Namibia sind keine Konflikte zu erwarten. Das war anders, als vor zwei Monaten das Stuttgarter Linden-Museum die Peitsche und die Bibel des Nama-Führers Hendrik Witbooi an Namibia restituierte. Vertreter der Nama-Minderheit protestierten dagegen, dass die beiden Objekte an den Staat Namibia gingen und nicht an ihr Volk. Sie fühlten sich ein zweites Mal beraubt.

Die Rückgabe der Säule ist hingegen ein willkommener Stimmungsaufheller für die Beziehung zwischen beiden Staaten, die seit Jahren um die von Namibia geforderte Anerkennung des deutschen Völkermords an den Nama und den Herero verhandeln. Und sie lenkt von den viel komplizierteren Restitutionsfällen ab, mit denen sich Deutschland und andere europäische Länder in den nächsten Monaten und Jahren auseinandersetzen werden müssen. Der Hamburger Historiker Jürgen Zimmerer sagt über die Rückgabe der Säule deshalb, die Aufarbeitung der Kolonialzeit werde damit nur "simuliert".

Bei den wirklich bedeutenden Fällen von Raubkunst aus der Kolonialzeit gibt es hingegen kaum Bewegung. Bekannteste Beispiel sind die mehreren Tausend Bronzen aus dem Königreich Benin im heutigen Nigeria, die 1897 von britischen Soldaten geraubt und dann an Europas ethnologische Museen verkauft wurden. Mehr als 500 von ihnen liegen in Berlin. Wenn 2020 die Ausstellungen im Humboldt-Forum eröffnet werden, will man zwar auf den Raub hinweisen, verzichten will man auf die Stücke aber nicht.

© SZ vom 17.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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