Süddeutsche Zeitung

Kollodium-Fotografie:Menschen, wie sie wirklich sind

Oleg Farynyuk arbeitet mit Kollodium-Fotografie - so gelingen ihm außergewöhnliche Porträts. Die Bilder.

Es ist die dunkle Aura des vorvorletzten Jahrhunderts, die Menschen für die Kollodium-Fotografie schwärmen lässt.

Das Verfahren ist 150 Jahre alt. Man braucht viel Zeit, alte Apparaturen und ein Laboratorium mit Phiolen, Rotlicht, Silberbad, Ether und Brom.

Das Verfahren ist alt und umständlich, hat aber immer noch einen Vorteil: Es zeigt Menschen, wie sie wirklich sind, aber meistens nicht sein wollen.

Normalerweise belichten Fotografen mindestens mit dem sechzigsten Teil einer Sekunde. Bei der Kollodium-Fotografie sind es 30 Sekunden.

"Kein Mensch kann 30 Sekunden einen Gesichtsausdruck halten", sagt Olek Farynyuk. Nach zehn Sekunden entgleisen den ersten die Gesichtszüge,...

...den Geübteren nach 15. Die Pose zerbröselt, die Menschen machen auf.

Der Fotograf Paolo Roversi sagte einmal über Langzeitbelichtungen: Ich gebe der Seele Gelegenheit, ins Bild zu schlüpfen.

Läuft es gut, lassen die Menschen sich ein, die Anspannung löst sich, fällt ab und mit ihr die Pose.

Für einen Moment wird aus dem kecken Blick, dem eingeübten Lächeln, ein ehrlicher Gesichtsausdruck.

Im besten Fall dringt die Kollodium-Fotografie durch die repräsentative Fassade. Im besten Fall legt der Kollodiunist das Innenleben frei.

Es gibt wenig Kunstformen, die sich so hartnäckig halten wie das Porträt. Aber je besser die Technik wurde, desto glatter wurde auch das Bild.

Das ehrliche Porträt dagegen bringt den Fotografen in Erklärungsnot. Oleg Farynyuk hat genau das für sich gesucht.

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