Kölner "Tatort":Keine Nacht ohne Durst

Wenige Klischees, dafür aber viele genaue Beobachtungen: Im neuen Kölner "Tatort" trinkt Ermittler Ballauf zu viel und trifft dabei Menschen, die mit zittrigen Fingern auch noch operieren.

Cathrin Kahlweit

Drei Männer trinken um die Wette in diesem Krimi: ein namhafter Chirurg mit zittrigen Fingern, der Kunstfehler begeht und dem eben jene "ruhige Hand" fehlt, die diesem neuen Kölner Tatort seinen Titel gegeben hat. Zudem ein einsamer Kommissar, in diesem Fall Max Ballauf (Klaus J. Behrendt), der nach Dienstschluss neuerdings auch regelmäßig einen über den Durst kippt, und ein unverstandener Sohn, der sich aus Kummer um den Verstand säuft.

Kölner "Tatort": Die Polizeipsychologin Lydia Rosenberg (Juliane Köhler) und die Kommissare Max Ballauf (Klaus Behrendt, links) und Freddy Schen (Dietmar Bär)

Die Polizeipsychologin Lydia Rosenberg (Juliane Köhler) und die Kommissare Max Ballauf (Klaus Behrendt, links) und Freddy Schen (Dietmar Bär)

(Foto: Foto: dpa)

Das klingt nach Klischee, und auch ein wenig zu sehr nach Volkspädagogik: Sind wir nicht alle ein Volk von Alkoholikern, wie das Drehbuch suggeriert, die verdrängen, dass ein Glas zu viel bei uns Gewohnheitstrinkern eher die Regel denn die Ausnahme ist?

24 Stunden ohne Alkohol

Als Kollege Freddy Schenk seinen Freund Ballauf nach einer durchzechten Nacht fragt, wann der das letzte Mal 24 Stunden ohne Alkohol durchgehalten habe, kann sich der Kommissar nicht mehr erinnern. Ja, wann eigentlich?

Andererseits zitierte unlängst die Bild-Zeitung einen Experten mit der Horrorzahl, etwa 30 Prozent aller Mediziner konsumierten regelmäßig zu viel Alkohol; und der Leiter einer Spezialklinik für suchtkranke Ärzte im Schwarzwald lässt wissen, knapp neun Prozent seiner Kollegen würden im Laufe des Berufslebens abhängig, mehrheitlich vom Suff. Bei extrem langen Arbeitszeiten, hoher Verantwortung und viel Stress in diesem Beruf mutmaßlich keine ganz große Überraschung.

Und so sind es letztlich eben doch wenige Klischees, dafür aber viele genaue Beobachtungen, die diesen Tatort im Mediziner-Milieu zu einem der besten der letzten Zeit machen. Das liegt zum einen an den ruhigen Bildern von Regisseurin Maris Pfeiffer, sich mit großer Intensität ihren Figuren nähert, und es liegt zum anderen daran, dass sich aus drei stimmigen, geschickt verflochtenen Erzählsträngen gleichwohl lange Zeit kein eindeutiges Bild ergeben mag.

Denn der Chirurg, der seine Privatklinik so eitel wie anmaßend gemeinsam mit einem Freund leitet, kommt genauso gut als Mörder seiner Frau in Frage wie ein Patient und der Arztsohn, die jeweils eigene Rechnungen mit dem Leben offen haben. Ein paar zusätzliche, klassische Motive (Liebe, natürlich) und eine illegale Praxis für illegale Einwanderer komplettieren das Szenario dieses durchkomponierten, aber nie überfrachteten Tatorts.

Was die Volksgesundheit angeht, so ist dessen Botschaft zum Schluss indes eindeutig: Trinken schädigt mehr als nur den Körper.

Tatort - "Mit ruhiger Hand", ARD, Sonntag, 20.15 Uhr.

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