Kölner Oper:Die Suche nach dem Oberverantwortungshut

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Die Baustelle der Oper in Köln. Weniger als vier Monate vor Beginn der neuen Spielzeit ist klar geworden, dass die Sanierung noch deutlich länger dauern wird. (Foto: Marius Becker/dpa)

Die Wiedereröffnung der Kölner Oper muss verschoben werden. Was jetzt zu tun ist, weiß niemand.

Von Bernd Dörries

Es ist noch gar nicht so lange her, da wurde die Kölner Oper als das beste Haus des Landes gewählt, 2012 war das und das erste Mal, dass der Preis der Zeitschrift Opernwelt nach Köln ging. "Die Oper Köln meisterte gleich mehrere Spagate zu zahlreichen Ausweichspielstätten mit Bravour und servierte einen ambitionierten Spielplan mit Erfolg", so urteilte die Jury damals. Nur drei Jahre später gibt es gar keine Oper mehr in Köln. Im November, zum Beginn des neuen Spielplanes, sollten Schauspiel und Oper in das dann restaurierte Gebäude am Offenbach-Platz einziehen, nach drei Jahren Baustelle und einer Zeit, in der die Oper in allen möglichen Orten spielte. Im Musicalzelt am Rhein und im schönen Foyer des Oberlandesgerichtes. Es war eine interessante Zeit, die Oper kam zu den Menschen.

Mit "Benvenuto Cellini" sollte der Vorhang am 7. November wieder hochgehen, der Vorverkauf lief. Bis der Kölner Verwaltung in der vergangenen Woche auffiel, dass das alles doch nichts wird. Dass man mit der Renovierung weit zurückliege im Zeitplan. Die Oper steht nun ganz ohne Spielstätte da, die Ausweichquartiere der vergangenen Jahre waren alle bereits gekündigt worden. Das Kölner Schauspiel ist nicht das erste Großprojekt in Deutschland, dessen Fertigstellung sich verzögert. Dass man für diesen Fall aber überhaupt keinen Plan B in der Tasche hatte, das ist schon eine lokale Besonderheit.

"Wer ist denn so dumm und kündigt seine Wohnung und gibt den Termin für die Einweihungsfeier im neuen Haus bekannt, wenn das Haus noch mitten im Bau ist?", sagte Uwe Eric Laufenberg dem Express. Laufenberg war bis 2012 Intendant der Oper, hat für sie die Auszeichnung geholt, aber auch mehr Geld ausgegeben als vereinbart und oft eine große Klappe gehabt. Zu groß für die kleine Kölner Lokalpolitik, die ihn aus der Stadt jagte.

Laufenberg gehörte damals zu denjenigen, die der Ansicht waren, es sei sinnvoller, das Schauspiel neu zu bauen. Zu teuer, sagte ein Bürgerentscheid, die Renovierung komme günstiger. Nun zeigt sich, dass das nicht unbedingt richtig sein muss, zumindest nicht, wenn die Kölner Verwaltung bauen lässt. Die Kosten für die Renovierung sind bereits deutlich überschritten worden und nähern sich 300 Millionen Euro, eigentlich sollten es nicht mehr als 250 werden. Allein die Verschiebung der Eröffnung kostet etwa zwanzig Millionen Euro. "Es ist wie so oft in Köln, wenn gespart werden soll, dann kostet es nachher mehr", sagt Paul Bauwens-Adenauer der SZ, der als IHK-Präsident gegen den Neubau war. Zuletzt waren der Verwaltung die Kosten dann völlig egal. Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach teilte den Baufirmen schon vor Monaten mit, dass man schnell fertig werden solle, egal, was es koste. Eine Verschiebung der Eröffnung würde einen enormen "Imageschaden" nach sich ziehen. Der ist nun noch größer.

Niemand kümmerte sich um ein Ausweichquartier im Notfall

In Politik und Verwaltung zeigt nun einer auf den anderen. Der Kölner Stadt-Anzeiger veröffentlichte jüngst ein Organigramm der Zuständigkeiten. Die Pfeile gehen nicht von oben nach unten, sondern eher im Kreis. Es ist die institutionalisierte Verantwortungslosigkeit. Fehler will niemand gemacht haben, die Beteiligten tun so, als seien sie nur zufällig hier.

Sie habe doch "hier nicht den Oberverantwortungshut auf", sagte Kulturdezernentin Laugwitz-Aulbach. Die Baufirmen sollen seit einem Jahr mehrere Hundert sogenannte Behinderungsanzeigen verschickt haben, in denen darauf hingewiesen wird, dass Termine nicht einzuhalten sind. Trotzdem zog lange niemand die Reißleine. Kümmerte sich niemand um Ausweichquartiere für den Notfall. Oberbürgermeister Jürgen Roters ist auf Tauchstation gegangen. Die Opposition beklagt, dass man in den Ausschüssen des Rates immer nur gehört habe, dass schon alles klappen werde. "Jede kritische Frage zu den Kosten und der Dauer wurde brüsk abgewehrt", sagt der FDP-Fraktionschef Ralph Sterck. Im Winter stellten die Piraten eine Anfrage nach den Konsequenzen einer späteren Fertigstellung. Damals antwortete die Stadt, solche Überlegungen seien "spekulativ".

Nun müssen Verträge mit Künstlern gelöst werden, welche Teile des Programms überhaupt gerettet werden können, ist unklar. Derzeit wird mit Investoren verhandelt, die das Staatenhaus auf der rechten Rheinseite gekauft haben. Dort waren bis vor Kurzem Flüchtlinge einquartiert, danach sollte eigentlich der Umbau in ein Musicaltheater beginnen. Nun hat man offenbar doch noch Platz für eine richtige Oper.

Besser hat es das Schauspiel erwischt, dessen größeres Ausweichquartier, das Depot in Mülheim, wurde so gut angenommen, dass viele fordern, dort einen dauerhaften Ableger zu installieren.

In der Kölner Politik soll nun die Aufarbeitung beginnen, die sich aber angesichts des nahenden OB-Wahlkampfes übersichtlich gestalten wird. Es gibt wenige Parteien, deren Vertreter nicht an irgendeiner Stelle maßgeblich an den Verzögerungen beteiligt waren. Die meisten Beteiligten haben sich wie Kulturdezernentin Laugwitz-Aulbach vorerst jeglicher Aufklärung entzogen, indem sie erst einmal verreist sind.

© SZ vom 30.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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