Köln und die neue Moschee:Arsch who?

Nirgendwo ist das Böse so irre unbeliebt wie in Köln: Ein politischer Sauberkeitsfimmel sorgt dafür, dass jeder Kölner auf die Straße geht, wenn es sein muss.

Hilmar Klute

Wenn Leute mit unappetitlichen Gesinnungen nach Köln einreisen, kriegen sie zur Begrüßung erst einmal ordentlich eins auf die Schnüss - das hat etwas mit dem heißen Herzen der Kölner zu tun, mit ihrem unbestechlichen Sinn für die Schönheit der Gerechtigkeit respektive ihrem Gespür dafür, welche Art von Gesinnung in ihre Stadt passt und welche nicht.

Köln und die neue Moschee: Köln am Rhein: Die Stadt ist eine Hochburg für Kämpfernaturen.

Köln am Rhein: Die Stadt ist eine Hochburg für Kämpfernaturen.

(Foto: Foto: AP)

Gut in die Stadt passen Gesinnungen von Wolfgang Niedecken, Alice Schwarzer und Günter Wallraff - nicht immer ganz so die Gesinnung von Kardinal Joachim Meisner und seit kurzem auch nicht mehr besonders die von Ralph Giordano, weil er sich gegen den Bau der Moschee in Köln-Ehrenfeld und überhaupt gegen den Islam ausgesprochen hat.

Wenn solche Leute auftauchen, ist der Kölner hundertprozentig sofort auf der Straße, ausgestattet mit seinem pfiffigen kölschen Imperativ "Arsch huh!", welcher bedeutet, dass man den eigenen Hintern hockriegen soll, um zum Beispiel wie am vergangenen Wochenende einer ziemlich seltsamen, gleichwohl erbärmlichen Truppe von belgischen, deutschen, holländischen und woher auch immer stammenden Islamgegnern den Popo zu versohlen.

Es ist ohnehin so, dass die meisten Kölner die neue Moschee begrüßen, damit kann die Sache im Grunde als längst verabschiedetes normales Kirchenbauvorhaben durchgewunken werden. Und dass es auch hier wie bei den europäischen Nachbarn verhuschte und verklemmte oder sonst wie beladene Menschen gibt, denen alles Fremde unheimlich und für die insbesondere der Islam ein schlimmer, schlimmer Leviathan ist - auch längst nichts Neues und schon gar nichts Spektakuläres mehr.

Hausmuttis gegen Islamgegner

Und trotzdem gibt es in Köln diesen unglaublich nervigen politischen Sauberkeitsfimmel, jenen Virus der unbedingten Geradlinigkeit, der vom Karnevalisten an den Bap-Sänger und vom Bap-Sänger an den FC-Köln-Kapitän und von diesem an den CDU-Oberbürgermeister Fritz Schramma weitergegeben wird.

Ihr eigener gerechter Zorn rührt die Herzen der anständigen Kölner sogar dermaßen, dass sie all diesen "Nazis" sofort die Fressen polieren möchten, und am besten auch noch denjenigen, die sich nicht auf sofortigen Befehl hin die No-go-for-Nazis-Buttons ans Revers stecken wollen. Die erklärt der anständige Kölner umgehend zu "Faschisten", wie die Rheinische Post berichtet.

Tapfere Hausmuttis singen in Chören ironische Lieder über deutsche Muselmanenangst - ach, es kommt einem so vor, als sei diese verirrte Truppe des rechtspopulistischen Vereins "Pro Köln" ein großes neofaschistisches Hochwasser, das über Köln hereinzubrechen drohte wie nichts Gutes. Dabei waren doch da bloß ein paar kleine xenophobe Männekens an den Rhein gekommen, die sich vorher ganz fest bei den Händen gehalten und einander fest versprochen haben, ihren Restmut zusammenzukratzen und ihren Zorn über den Islam auf den Heumarkt zu tragen.

Selige Selbstgerechtigkeit

Die Kölsche "Arsch-huh!"-Empörungsgeste lässt absolut keinen Raum für Ironie. Witze macht der Kölner im Karneval und auf der Kleinkunstbühne Senftöpfchen, aber angesichts rechter Gesinnung hört der Spaß auf, da muss der Kölner mit der Jutetasche auf gescheitelte kleine Köppe hauen.

Köln ist und bleibt also tatsächlich auf immer eine Insel der seligen Selbstgerechtigkeit, umspült von der unfassbar retroästhetischen Musik und der Gewerkschaftspoesie Wolfgang Niedeckens, humortechnisch beherrscht vom Achtziger-Jahre-Kabarett, dem Millowitsch-Theater und den Prunk- oder Stunk- oder sonstigen Sitzungen.

Ach, wenn der alte Rhein wirklich ein so gütiger Vater ist, möchte man ihm jetzt zurufen: Komm Alter, Arsch huh und einmal kräftig durch die Südstadt geschwappt, damit dann auch bitte wirklich kein Auge mehr trocken bleibt.

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