Köln streitet über geplantes Jüdisches Museum:Kostbare Kloake

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"Wahrscheinlich die erste Erwähnung des Wortes Scheiße in hebräischer Sprache": Eine historische Toilettentafel in Köln überraschte Archäologen und war auf gutem Weg, die Attraktion des geplanten Jüdischen Museums für famose Funde in Köln werden. Doch nun gibt es Streit.

Bernd Dörries

Es war ein bedeutender Fund, das war den Archäologen schnell klar in Köln. Sie hatten eine Tafel mit hebräischen Schriftzeichen gefunden, direkt vor dem Rathaus, dort wo vor vielen Jahrhunderten der römische Statthalter residierte und die Synagoge stand. Sie haben sich so manches erhofft von dieser Tafel, vielleicht einen Hinweis auf das Gründungsdatum der Synagoge oder auf ihren Stifter.

Wenn man heute die Geschichte von damals zusammensetzen will, dann schien die Tafel ein ziemlich großes und wichtiges Puzzlestück zu sein. Man ließ den Text übersetzen und kam zu folgendem Ergebnis: "Das ist das Fenster, durch das die Scheiße hinausgeworfen wird." So steht es auf der Tafel. Das hatten die Archäologen so nicht erwartet.

Erst waren sie deshalb ein wenig enttäuscht in Köln, dass sie nur ein Schild gefunden haben, das darauf hinweist, die Fäkalien aus der Latrine doch bitte nicht auf den Synagogenhof zu werfen. Schon bald aber zeigte sich, dass der Fund zwar nicht die erhofften Hinweise auf die jüdische Geschichte Kölns enthielt - sich aber touristisch gut vermarkten lassen könnte.

"Es ist wahrscheinlich die erste Erwähnung des Wortes Scheiße in hebräischer Sprache", sagt Grabungsleiter Sven Schütte. In Israel war das der Zeitung Haaretz gleich eine Titelgeschichte wert, Touristen wollten die Tafel sehen, fragten, ob es Postkarten gibt mit dem Motiv, die man sich daheim ins Klo hängen könnte. Die historische Abort-Tafel aus dem 13. Jahrhundert war auf einem guten Weg, die Attraktion des geplanten Jüdischen Museums in Köln zu werden - doch darüber gibt es nun Streit in der Stadt am Rhein.

Schon Adenauer verlangte ein Jüdisches Museum

Das Gebäude soll vor dem heutigen Rathaus entstehen und auf 10.000 Quadratmetern beherbergen, was von Archäologen in dieser Gegend ausgegraben wurde und bisher nur eingeschränkt zugänglich ist: Etwa eine Viertelmillion Artefakte, Schmuck, Schrifttafeln, Ornamente, aber auch Exkremente, die ein einzigartiges Bild ergeben über die älteste jüdische Siedlung nördlich der Alpen. Spätestens seit Anfang des vierten Jahrhunderts gab es in der Stadt Juden, seit dem Jahr 800 eine Synagoge, die Forscher haben anhand von Knochenresten herausgefunden, wer sich damals in Köln koscher ernährte.

Schon Konrad Adenauer hatte als Oberbürgermeister den Bau eines Jüdischen Museums gefordert. Im Jahr 2008 gab es einen Architekturwettbewerb, 52 Millionen Euro soll der Bau kosten, ein Drittel übernimmt das Land. Die Stadt sprach schon von einer Million zusätzlicher Touristen. Der Baubeginn wurde aber immer wieder verschoben, es fehlten schlüssige Konzepte für die Betriebskosten.

Nun formiert sich Widerstand gegen das Projekt, eine Bürgerinitiative sammelt im Internet Unterschriften gegen das geplante Museum. "Angesichts der katastrophalen finanziellen Situation der Stadt mit einem Haushaltsloch von 300 Millionen Euro ist es geradezu verantwortungslos, ein neues Museum und andere Großprojekte zu beschließen und unbeirrt weiterzuverfolgen", kritisieren die Initiatoren. Das Geld fehle dann für soziale Projekte, die jüdische Geschichte Kölns könne auch ins Stadtmuseum integriert werden. Das klingt ein wenig nach einer Stadt, die ihre reiche Geschichte zum Fenster hinauswirft.

© SZ vom 14.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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