Süddeutsche Zeitung

Köhler gegen Diekmann:Frau Doktor hat Ärger mit "Bild"

Eine Recherche zu ihrem Doktortitel war schon zu viel: Familienministerin Köhler ließ den Anwalt los und droht Bild mit Forderungen.

T. Denkler

Bild hat ein bisschen recherchiert - womöglich zu viel für Kristina Köhler, 32, die noch nicht lange amtierende Familienministerin der schwarz-gelben Regierung von Kanzlerin Angela Merkel.

Es geht um den Anfang 2009 erworbenen akademischen Titel der Ministerin und das "schwarze Netz von Frau Doktor", über das sueddeutsche.de Ende November berichtet hatte.

Demnach hat die CDU-Bundestagsabgeordnete ihre Privilegien durchaus zu nutzen gewusst, um sich einiger Mühen einer Dissertation zu entledigen. Die Bundesgeschäftsstelle der CDU etwa half bei der Befragung von Kollegen und Mitgliedern mittels Fragebögen.

Rechtlich unstrittig, aber dennoch seltsam

Die statistische Großarbeit floss ein in Köhlers 303-Seiten-Opus: "Gerechtigkeit als Gleichheit? Eine empirische Analyse der objektiven und subjektiven Responsivität von Bundestagsabgeordneten." Die Autorin wollte wissen, inwieweit die Wertvorstellungen von Parlamentariern der CDU mit denen der CDU-Mitglieder übereinstimmen. Und, siehe da: Sie ähneln sich tatsächlich.

Die forsche Christdemokratin bezahlte auch einen wissenschaftlichen Mitarbeiter ihres Doktorvaters Jürgen Falter von der Universität Mainz auf 400-Euro-Basis für einige Hilfsdienste. Dazu gehörten so nervtötende Dinge wie Inhaltsverzeichnis anlegen, Fußnoten setzen und das Quellenverzeichnis vollenden. Das alles ist zwar rechtlich unstrittig, wirft aber dennoch ein seltsames Licht auf die Familienministerin.

Bild lagen offenbar weitergehende Hinweise vor. In seinem Blog referiert Chefredakteur Kai Diekmann, dass er zunächst von Kristina Köhler angerufen worden sei, dann aber am 27. Dezember Post von der Anwaltskanzlei White and Case bekam, der bis zu seiner Ernennung als Staatssekretär im Innenministerium auch Köhlers Verlobter Ole Schröder angehörte.

"Juristen, statt Journalisten"

In dem Zwei-Seiten-Brief droht Anwalt Martin Munz mit Schmerzensgeld im höheren sechsstelligen Bereich, wenn auf "unzulässige, rechtswidrige und tendenziöse" Weise berichtet werde. Schließlich sei der Umfang der Unterstützung für Köhler dem Vize-Chefredakteur Martin Heidemanns "bereits von Professor Dr. Falter beschrieben und bestätigt worden".

Heidemanns selbst erklärt, nie mit Falter darüber gesprochen zu haben - und nennt Köhlers Vorgehen "unprofessionell". (Nachtrag vom 05. Januar 2010: Jürgen Falter stellte inzwischen gegenüber sueddeutsche.de klar, es habe zwar keinen direkten telefonischen Kontakt mit Heidemanns gegeben, er habe aber auf eine schriftliche Anfrage Heidemanns ausführlich geantwortet. Das Schreiben liegt sueddeutsche.de vor.) Köhlers Anwalt wiederum will sich ohne Rücksprache mit der Mandantin nicht äußern.

Bild-Chef Diekmann ist empört, so kurz vor Weihnachten, dem "Fest der Liebe", einen solchen Brief erhalten zu haben. Er bittet die Ministerin kurzerhand, beim nächsten Mal nicht ihn, "sondern gleich die Rechtsabteilung" anzurufen - "und zum nächsten Interview schicken wir dann lieber Juristen, statt Journalisten".

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