Koch macht Druck auf ZDF-Chefredakteur:Da bläst er wieder

Roland Koch pumpt den Streit um ZDF-Chefredakteur Brender unnötig auf, weil er um seine eigene Macht fürchtet. Nicht nur der Rundfunk, auch seine Gremien müssen reformiert werden.

Kurt Kister

In einer Zeitung sind die Dinge relativ klar. Die Chefredaktion wird vom Verleger oder den Gesellschaftern bestellt, also von jenen, denen der Laden gehört. Es gelten zwei Faustregeln: Ist die Chefredaktion bei den Verlegern zu beliebt, hat das meistens Gründe, die schlecht für die Redaktion sind. (Das kann man in Nordrhein-WAZfalen studieren.) Ist andererseits die Chefredaktion zu beliebt bei der Kollegenschaft, ist das oft nicht gut für die Zeitung im Allgemeinen sowie für die Arbeits- und Etatdisziplin im Speziellen.

Koch macht Druck auf ZDF-Chefredakteur: Verhält sich wie in einem seiner Wahlkämpfe: ZDF-Verwaltungsrat-Wortführer Roland Koch.

Verhält sich wie in einem seiner Wahlkämpfe: ZDF-Verwaltungsrat-Wortführer Roland Koch.

(Foto: Foto: ddp)

Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk sind diese Dinge weniger klar. Anders als die Presse müssen sich die Öffentlich-Rechtlichen nicht so hart im Markt behaupten, denn schließlich hat jeder Rundfunkteilnehmer seine Gebühren zu bezahlen, ganz egal was er von den Programmen hält und wie er sie nutzt. Als Vertreter der Gebührenzahler fühlen sich die in den Aufsichtsgremien sitzenden Politiker und sonstige öffentliche Personen, die sich meist entlang der Parteilinien in informellen Gruppen in diesen Gremien organisieren. Diese Kungelei führt auch dazu, dass Politiker, Spitzenpolitiker zumal, den Eindruck haben, wenn es schon für ARD und ZDF keine Verleger gibt, gehört dennoch den Rundfunk- und Verwaltungsräten der Laden.

Genauso benimmt sich zur Zeit Roland Koch, der Wortführer des derzeit mehrheitlich konservativ besetzten ZDF-Verwaltungsrates. Koch, nach eigenem Gefühl ZDF-Verleger, möchte die Amtszeit des Chefredakteurs Nikolaus Brender nicht verlängern. In einem bemerkenswerten Interview, das Stefan Niggemeier mit Koch für die FAZ geführt hat, versucht der CDU-Politiker den Eindruck zu erwecken, es gehe ihm in der Causa Brender nicht um Politik, sondern um Professionelles - etwa um die Einschaltquoten für Informationssendungen.

Koch verhält sich in diesem Interview nicht anders als in etlichen seiner Wahlkämpfe. Er benennt ein Problem und bläst es fürchterlich auf - heute die Quoten, damals die U-Bahn-Schläger. Dann fällt er über jeden her, der ihm unterstellt, in Wirklichkeit transportiere er mit seinem Beispiel eine hidden agenda, eine verborgene Absicht. Kochs verborgene Absichten im Fall Brender haben nichts mit den Zuschauerzahlen von heute zu tun und auch kaum etwas mit der Person des Chefredakteurs, der übrigens vor dem inszenierten Klamauk weder bei den Gremien noch bei der Kollegenschaft insgesamt so richtig beliebt war. (Das spricht dafür, dass er einen ordentlichen Job macht.)

Rundfunkanstalten als Behörden

Nein, Koch, der ebenso taktlos wie taktisch begabt ist, hat gerochen, dass die Parteiennähe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im 21.Jahrhundert mehr und mehr als Anachronismus empfunden wird. Das System mit seinen checks and balances durch die sogenannten gesellschaftlich relevanten Gruppen wurde nach dem Krieg als Antwort auf den Staatsfunk der Nazis gegründet. Die Rundfunkanstalten entwickelten sich im Laufe der Jahre zu Behörden, in denen vom Journalismus auf hohem Niveau bis hin zur grässlichen Umptata-Sendung alles Mögliche produziert wurde und wird.

Den Parteien wiederum ist es gelungen, als die relevantesten aller relevanten Gruppen krakenhaft die Räte zu umschlingen und sich in den Gremien festzusaugen. Manchmal findet dort auch heute noch vierkantige Machtausübung à la Koch statt. Viel häufiger aber, zumal in den guten, alten Zeiten des westdeutschen Parteien- und Verbändestaats, hat sich das System immer wieder dadurch selbst reguliert, dass Abteilungsleiter und Chefs zu wissen glaubten, was angesichts der Mehrheitsverhältnisse im jeweiligen Land und Rundfunkrat als opportun erschien. Das präventive Wohlverhalten vieler Hierarchen im Rundfunk war lange ein größeres Problem als die gelegentlichen Akte des Durchregierens der Staatskanzleien.

Drahtzieher wollen keine Spuren hinterlassen

Nun gibt es allerdings seit geraumer Zeit immer mehr selbstbewusste Intendanten, Programmdirektoren, Chefredakteure und Abteilungsleiter, denen der Allmachtanspruch der Parteien auf die Nerven geht. Die Systemlinge sind dabei, das System zu gefährden. Brender zum Beispiel hat Räte-Politiker gebeten, ihre Anliegen schriftlich vorzutragen. Die mögen das nicht, denn Drahtzieher wollen keine Spuren hinterlassen. Das ist es, was Roland Koch an Brender nicht leiden kann. Allein die Tatsache, dass der Vorgang nun öffentlich geworden ist, bedeutet eine Niederlage für Koch und Kameraden - selbst wenn Brender seinen Posten verlieren sollte. Gewiss, in Zeitungen verlaufen die Besetzungen von Spitzenposten meist nicht öffentlich. Das ist für interessierte Leser manchmal misslich, aber nicht grundsätzlich verwerflich, denn anders als ARD und ZDF werden Zeitungen nicht de facto von einer Steuer, die Rundfunkgebühr heißt, finanziert. Die Affäre Brender ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, mit welcher Inbrunst und gelegentlichen Heuchelei die Kochs aus Union und SPD in den Rundfunkräten ihre Schlachten um die Privilegien der Vergangenheit führen.

In dem FAZ-Interview ereifert sich Koch über angebliche Unterstellungen, dass Politiker immer nur (Partei-)Politik betrieben. Dann sagt er den schönen Satz: "Politiker sind nicht eine Gefahr für die Demokratie, sondern ihre Grundlage." Nein, absolut nicht. Die Grundlagen der Demokratie sind das Grundgesetz, freie Wahlen, die Achtung von Minderheiten, die Pressefreiheit und vieles mehr. Politiker gehören zum wichtigen Personal der Demokratie, sonst nichts.

Gefährdung der Unabhängigkeit

Wer sich selbst aber für die "Grundlage der Demokratie" hält, der kann nichts dabei finden, auch den Rundfunk ein wenig zu vereinnahmen. Die Auseinandersetzung im ZDF, die Roland Koch von nun an auch und gerade um das Rechthaben an sich führen wird, zeigt eines deutlich: Es ist nicht nur höchste Zeit, das Finanzierungssystem des öffentlich-rechtlichen Rundfunks der Moderne anzupassen. Gleiches gilt auch für seine Gremien und Führungsstrukturen. Etliche jener Gruppen, die in der Aufbau- und Stabilisierungsphase des Rundfunks seine Unabhängigkeit garantierten, gefährden diese heute.

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