"Knock at the Cabin" im Kino:Mensch, opfere dich

Lesezeit: 3 Min.

Visionen von der Rettung der Welt: Dave Bautista, Abby Quinn und Nikki Amuka-Bird (von links) in "Knock at the Cabin." (Foto: Universal)

Hollywood-Mystiker M. Night Shyamalan erzählt gern von den letzten Menschen im Weltuntergang. "Knock at the Cabin" handelt von einer brutalen Entscheidung.

Von Fritz Göttler

Eine einsame Hütte, an einem See in einem Wald in Pennsylvania. Ein abgelegenes, aber durchaus kultiviertes Domizil, die Bücherwand ist gut bestückt. "The Cabin at the End of the World" heißt der Roman von Paul Tremblay, den M. Night Shyamalan mit seinem neuen Film "Knock at the Cabin" verfilmt hat. Das Ende der Welt ist dabei nicht topografisch gemeint, nicht als Hinweis auf Entlegenheit des Ortes, sondern es gibt die Zeit an, da das Buch spielt - genau dann nämlich, als der Weltuntergang in vollem Gange ist, Katastrophe sich an Katastrophe reiht und die Frage sich stellt, ob und wie alles noch abgewendet werden könnte.

Ein junge Familie machen gerade Ferien in der Hütte im Wald. Andrew und Eric, ein homosexuelles Paar, und ihre adoptierte, siebenjährige Tochter Wen - mit der naiven, etwas nervigen Freudigkeit, mit der Stadtmenschen sich halt in die Natur stürzen. Das Mädchen streift durch den sonnigen Wald, da steht plötzlich Leonard vor ihr, sie kommen ins Gespräch und tauschen Erfahrungen zum Grashüpferfangen aus. Er sei ein Lehrer, erzählt Leonard, Brille mit einfachem Gestell und mit gewaltigen tätowierten Armen, denn es ist der Ex-Wrestler Dave Bautista, der ihn spielt.

Drei weitere Figuren tauchen hinter Leonard auf, alle haben archaisches Gerät dabei - keine Waffen, erklärt Leonard, sondern Werkzeug, für ihre gemeinsame Mission, den allerwichtigsten Job der Welt. Sie hatten alle vier die gleiche mystische Vision, unabhängig voneinander, was es mit dem Untergang und der Rettung der Welt auf sich hat. Mit fanatischer Eindringlichkeit soll das den drei Urlaubern nun klargemacht werden.

Die Fanatiker dringen gewaltsam ein, beharren aber auf Freiwilligkeit

Diese verbarrikadieren sich erst einmal in ihrer Hütte - ohnehin ein Rückzugsort für sie, in Rückblenden gibt es unangenehme Erfahrungen, die das homosexuelle Paar mit den Eltern oder auf der Adoptionsbehörde machen musste. Natürlich verschaffen sich Leonard und seine Genossen schnell gewaltsam Zutritt. Es ist ein klassischer Thriller-Anfang, Genre Home Invasion: böse Menschen oder Dämonen, die in ein Heim eindringen, aus niederen oder mystischen Motiven.

Hier aber werden die Elemente schnell durcheinandergeschüttelt und ad absurdum geführt, wie man das von dem Regisseur M. Night Shyamalan wohl erwartet. Die jungen Väter werden gefesselt, aber dann nachdrücklich, mit pädagogischem Furor, gebeten, in sich zu gehen - denn von ihnen hänge eben alles ab. Nur wenn einer von ihnen sich freiwillig opfere und den Tod auf sich nehme, kann die Rettung der Welt gelingen. Man kennt diese ein wenig mickrige erpresserische Handlungslogik aus der Opfergeschichte von Abraham und Isaak - Shyamalans Filme waren immer biblisch grundiert. Dennoch klingt das alles sehr aberwitzig, irreal, absurd.

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Paul Tremblays Roman war ein großer Erfolg in Amerika und wurde von der Kritik sehr gut aufgenommen. Die Verfilmung hat zwar, endlich, James Camerons zweiten "Avatar"-Film in Amerika von der Spitze der Kinocharts verdrängt, hat aber im Vergleich zu anderen Shyamalan-Filmen - sein größter Erfolg war sein dritter Film, "The Sixth Sense", 1999, mit Bruce Willis - eher durchschnittlich abgeschnitten.

Fürs Ende von Tremblays Geschichte hat Shyamalan eine ganz neue Vision entwickelt, weniger düster und radikal, das erzählten bei der Premiere in den USA die Drehbuchautoren Steve Desmond und Michael Sherman dem Branchenblatt Variety. ,,Dies sollte ein großer Film mit weiter Verleihauswertung sein, für ein sehr großes Publikum gedacht. Es gibt einige Sachen, die das Buch machte, die ziemlich düster und ein wenig zu viel für ein breites Publikum gewesen wären. Das hat Shyamalan sofort erkannt."

Einsamste Locations, aber weltumspannende Katastrophen - das ist Shyamalans Trick

Leonard und die anderen drei Rettungsvisionäre sind ein zusammengewürfelter Haufen, eine Krankenpflegerin ist dabei und eine Köchin und ein unbeherrschter Prolet, gespielt von Rupert Grint, dem "Harry Potter"-Co-Star. Die Apokalypse läuft, Bilder davon drängen übers Fernsehen in die Hütte, Tsunamis klatschen auf den Strand, und Flugzeuge plumpsen vom Himmel wie tote Vögel.

Eine Home Invasion setzt im Genrekino seit Wes Craven oder Bruce Willis sagenhafte amerikanische Urkräfte frei, in den attackierten Männern und Frauen, durch den so genialen wie einfältigen Trick werden diese hier ausgebremst - es muss eine absolut freie Entscheidung sein, mit der einer in der Hütte den Tod auf sich nimmt, keine Gewalt, kein psychischer Druck. Um die Wichtigkeit ihrer Mission zu demonstrieren, greifen die Eindringlinge zu einem schrecklichen, absurden Mittel ...

Es war schon immer Shyamalans Trick, dass er einsamste Locations - ein Kornfeld in den weiten Ebenen der USA, ein Dorf, das sich in die Vergangenheit verschloss - in Zusammenhang brachte mit welt- und universumweiten Desastern. Wie der Schrecken in diesem Film zusammenhängen mag mit den drei braven, schrecklich durchschnittlichen Hüttenbewohnern, bleibt eine ominöse metaphysische Leerstelle. Steckt ein Gott hinter dieser Versuchsanordnung? Einer mit Sarkasmus und Lust am Spiel? Gibt es eine Spur Homophobie in der Apokalypse? Das wäre am Ende ein Ansatzpunkt für starke filmische Ironie - für die aber hat M. Night Shyamalan wenig Sinn.

Knock at the Cabin , 2022 - Regie: M. Night Shyamalan. Buch: Steve Desmond, Michael Sherman, Shyamalan. Nach dem Roman von Paul Tremblay. Kamera: Jarin Blaschke, Lowell A. Meyer. Schnitt: Noemi Katharina Preiswerk. Musik: Herdís Stefánsdóttir. Mit: Dave Bautista, Jonathan Groff, Ben Aldridge, Nikki Amuka-Bird, Rupert Grint, Abby Quinn, Kristen Cui, M. Night Shyamalan. Universal, 100 Minuten. Kinostart: 9. Februar 2023.

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