"Knight of Cups" im Kino:Besuch bei der Wahrsagerin

Christian Bale (rechts) und Natalie Portman ganz melancholisch in "Knight of Cups".

Völlig vergrübelt: Christian Bale (rechts) und Natalie Portman ganz melancholisch in "Knight of Cups".

(Foto: Studiocanal)

Ein Ritter aus Los Angeles: Christian Bale strolcht auf einer Sinnsuche durch "Knight of Cups", den neuen Film von Terrence Malick - eine Suche, bei der er nicht fündig wird.

Von Fritz Göttler

Der Film ist eine moderne Pilgerreise, das war schon immer das einfachste, das elementare Genre des Erzählens, von Don Quijote bis Ulysses. Einer zieht los auf die Suche nach sich selbst, er findet sich in dem, was ihm begegnet, in den Figuren aus der Fremde, die er durchzieht, und aus der eigenen Vergangenheit, die er hinter sich weiß.

Bei Christian Bale, der hier den Pilger Rick abgibt für den Filmemacher Terrence Malick, erinnert man sich an all die verlorenen Jungs, die er zuletzt spielte: den Vietnampiloten Dieter Dengler in Werner Herzogs "Rescue Dawn", den Dark Knight in den Batmanfilmen von Christopher Nolan, an die trüben Helden in den Americana von David O. Russell, den Moses für Ridley Scott.

Und auch an eine seiner ersten Rollen, den kleinen Jim in Steven Spielbergs "Empire of the Sun", 1987. Er war der Junge, der bei der Besetzung Shanghais durch die Japaner 1941 von seinen Eltern getrennt wird und sich allein durchschlagen muss. Und der eine mystische Begegnung mit einem Kamikazepiloten hat, der in seinem Flieger nah an ihm vorbeizieht.

In "Knight of Cups" fährt Rick mit einer seiner Frauen auf einem Highway und sieht, wie ein Flugzeug in einer Einflugschneise knapp über sie hinwegfliegt. Terrence Malick hat das in einer einzigen Einstellung gedreht, so nah, dass er nur ganz wenig vom Flieger auf das Auto schwenken muss.

Das ist das Prinzip seines Kinos - die klassischen Schuss-Gegenschuss-Sequenzen auflösen, die unilineare, eindeutige Beziehung, die sie zwischen Subjekt und Objekt etabliert. Malicks Sequenzen sind im Fluss, die strenge erzählerische Erzählordnung lässt er gern den TV-Autoren.

Wie ein Wiedergänger von Mastroianni in "Achteinhalb"

Rick ist ein Drehbuchautor in Hollywood, er findet keinen Spaß mehr in seiner Arbeit, er trödelt ziellos durch die leeren Straßen und gerät in grelle Sexclubs und auf schrille Partys, wie ein Wiedergänger von Mastroianni in "Achteinhalb".

Immer wieder zieht es ihn ans Meer, wo er glücklich wie ein Kind ins Wasser patscht. Er trifft seine Ex Cate Blanchett und seine einstige Geliebte Natalie Portman, die ihn mit klugen Sprüchen zu ihrer gemeinsamen Vergangenheit und seiner jetzigen Einsamkeit nerven, dazu Imogen Poots und Teresa Palmer, Isabel Lucas und Freida Pinto. Er ist, resümiert Christian Bale, ein Mann der Worte, der keinen Gebrauch mehr hat für Worte. Er ist des Redens müde.

Die Akteure mögen den locker konfusen Drehstil von Terrence Malick. Christian Bale hat er nie ein Drehbuch in die Hand gegeben, sich nur mit ihm über Rick unterhalten. Du darfst nicht etwas Speziellem hinterher sein, sagt Bale, du musst es einfach entdecken, beim Vorangehen, das macht ihm Spaß.

Ein durch und durch amerikanischer Manierismus

Drehen im Guerilla-Stil. So folgt Malick in langen Einstellungen Rick, durch die Begegnungen und Erfahrungen, die manchmal wie banale Ratgeber-Poesie klingen - "Rette was du kannst von deinem Leben" - und dann wieder wie intime Haikus.

Malick macht ein Kino, in dem die Menschen uns hauptsächlich den Rücken zugewandt haben. Für den nächsten Malick, an dem bereits gearbeitet wird, hat Bale schon mal zwei Tage lang Aufnahmen gemacht. Eine Geschichte, die in der Musikszene von Austin, Texas, spielen soll, wo Malick lebt und arbeitet, Seite an Seite mit jüngeren Filmemachern wie Richard Linklater und David Gordon Green.

Terrence Malick liebt die Hochkultur, die europäische zumal, er hat Philosophie studiert, weshalb man seinen späten Filmen gern Prätention, Geschwätzigkeit und Langweiligkeit vorgeworfen hat.

Aber der Manierismus, den diese Filme pflegen - auch der erste schon, die wilde Teenager-Mord-Geschichte "Badlands", die man gern ihrer Action wegen rühmt -, ist eine durch und durch amerikanische Kunst. Ein offenes Erzählen, das unsere Vorstellungen, die primär von den Konzepten von Roman und Autor geprägt sind, sabotiert.

Wie Hollywood bedient auch Malick sich bei allen möglichen populären, anonymen, volkstümlichen Quellen. Und er weiß, dass Erkenntnis nicht direkt intellektuell gepackt werden kann, sondern - das hat die Psychoanalyse uns gelehrt - durch die Links des freien Assoziierens, durchs Plappern. Der Strom des Bewusstseins, in dem nichts für immer behalten wird: "So much I was given", sagt Rick, "so much I left behind."

Der Sinn bleibt immer suspendiert im Kino des Terrence Malick

Zu Beginn des Films wird Rick plötzlich aus dem Schlaf geschreckt, ein Erdbeben in L. A., er springt aus dem Bett, bewegt sich langsam, tastend durch sein Zimmer. Dann geht er in die Knie, fast auf alle viere, man spürt seine Verwunderung und Neugier, schon lange hat er keinen Kontakt mehr zum Boden gehabt.

Der knight of cups ist eine Figur aus dem Tarotspiel, der Ritter der Kelche. Der ganze Film ist wie ein Besuch bei einer Wahrsagerin, die uns die Bilderkarten legt. Sie gibt Erläuterungen, tut, als könnte man die Bilder in ein Gefüge verlinken. Man hört ihr gerne zu, aber sie kann die tiefe existenzielle Unruhe nicht verdrängen, die uns zu ihr geführt hat. Der Sinn bleibt immer suspendiert im Kino des Terrence Malick.

Knight of Cups, USA 2015 - Regie, Buch: Terrence Malick. Kamera: Emmanuel Lubezki. Produktionsdesign: Jack Fisk. Mit: Christian Bale, Cate Blanchett, Natalie Portman, Brian Dennehy, Wes Bentley, Imogen Poots, Teresa Palmer, Isabel Lucas, Freida Pinto. Studiocanal, 117 Minuten.

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