Knatterton-Zeichner Manfred Schmidt:Wie eine Parodie auf James Bond, bevor es ihn gab

Ein steil vorspringendes Kinn, die Pfeife im Mund und der karierte Knickerbocker-Anzug: das sind die Markenzeichen des Nick Knatterton. Die Zeichnungen des Meisterdetektivs machten Manfred Schmidt zu einer nationalen Berühmtheit. Eine Ausstellung ehrt den Comic-Zeichner nun zum 100. Geburtstag.

Von Christoph Haas

1 / 9

Knatterton-Zeichner Manfred Schmidt:Fahrscheinmotiv der städtischen Verkehrsbetriebe München, ca. 1955

-

Quelle: Wilhelm Busch - Deutsches Museum

Ein steil vorspringendes Kinn, die Pfeife im Mund und der karierte Knickerbocker-Anzug: das ist Nick Knatterton. Die Zeichnungen dieses Meisterdetektiv machten Manfred Schmidt zu einer nationalen Berühmtheit. Das Wilhelm Busch Museum widmet dem Comic-Zeichner zum 100. Geburtstag eine Ausstellung.

Grau und vergilbt liegen die Straßenbahn-Fahrscheine in einer Vitrine. Im Sommer 1955 hatten sie in München einen kleinen Aufruhr entfacht. Für ihre Rückseite hatte Manfred Schmidt zehn Motive gezeichnet, die für die städtischen Freibäder werben sollten. Der Meisterdetektiv Nick Knatterton war da zu sehen, aber auch ein paar Damen mit Sophia-Loren-Figur in engen Badeanzügen. Eine besorgte CSU-Lokalpolitikerin schlug Alarm, im Stadtrat schlugen die Wellen hoch: Gefährdung der sittlichen Ordnung!

Auch dem Oberbürgermeister war nicht wohl, schließlich segnete er die Sache doch ab: Das Einstampfen der Fahrscheine hätte 8000 Mark gekostet.

2 / 9

Knatterton-Zeichner Manfred Schmidt:Porträtfoto von Manfred Schmidt

-

Quelle: Wilhelm Busch - Deutsches Museum

Dank Nick Knatterton war der 1913 in Bad Harzburg geborene Manfred Schmidt innerhalb weniger Jahre nicht nur eine nationale Berühmtheit, sondern auch einer der bis heute wichtigsten deutschen Comic-Zeichner geworden.

3 / 9

Knatterton-Zeichner Manfred Schmidt:"Der Schuss in den künstlichen Hinterkopf"

-

Quelle: Wilhelm Busch - Deutsches Museum

Seit 1950 ließ er seinen Helden wöchentlich in der Quick humoristische Abenteuer mit Titeln wie "Der Schuss in den künstlichen Hinterkopf" oder "Die gestohlene Hüftlinie" erleben.

4 / 9

Knatterton-Zeichner Manfred Schmidt:Nick Knatterton, Motivsammelband 7, 1959

-

Quelle: Wilhelm Busch - Deutsches Museum

Der karierte Knickerbocker-Anzug, die Pfeife im Mund und die sagenhafte Kombinierfähigkeit ließen Nick Knatterton als einen Nachfahren von Sherlock Holmes erkennen, allerdings teilte er wesentlich freigiebiger Kinnhaken aus als sein Vorbild. Zu Knattertons Erfolg trug auch die prägnante Physiognomie bei, die sein Schöpfer ihm verpasste: hoher, spitzer Kopf, Adlernase und ein steil vorspringendes Kinn.

5 / 9

Knatterton-Zeichner Manfred Schmidt:Werbeanzeige für Atikah-Cigaretten, ca. 1937

-

Quelle: Wilhelm Busch – Deutsches Museum

Liest man die Knatterton-Geschichten heute, fällt auf, wie sehr sich in ihnen die Doppelgesichtigkeit der Fünfziger, ihr Zerrissensein zwischen Gestern und Morgen spiegelt. Einerseits bedient Schmidt durchaus zeittypische Vorurteile und Klischees - das gilt vor allem, wenn es um nicht-deutsche Figuren und "typisch weibliche" Verhaltensweisen geht.

Andererseits ist sein rigoros unernster und mit geradezu brechtianischen Distanzierungsstrategien arbeitender Zugriff auf das Detektiv- und Agentengenre sehr modern und nicht weit entfernt von dem, was zeitgleich das amerikanische Satiremagazin Mad leistete. Mit all ihren Gadgets und ihrer haarsträubenden Action wirken die Knatterton-Abenteuer wie Parodien von James Bond-Filmen, bevor es diese überhaupt gab.

6 / 9

Knatterton-Zeichner Manfred Schmidt:Nick-Knatterton-Faschingsmaske, ca. 1952

-

Quelle: Wilhelm Busch – Deutsches Museum

Anders als Manfred Schmidt später stets behauptete, kam ihm die Idee zu Knatterton keineswegs spontan. Die Ausstellung im Wilhelm Busch-Museum belegt, dass die Ursprünge der Figur bis in die Dreißiger zurückreichen, als der junge Zeichner Witze und Detektivgeschichten in Blättern des Ullstein Verlages veröffentlichte.

7 / 9

Knatterton-Zeichner Manfred Schmidt:Wimmelbild Flughafen, für Quick, 1950er Jahre

-

Quelle: Wilhelm Busch – Deutsches Museum

Überhaupt ist es interessant, hier einen Blick in das frühe und spätere Werk von Schmidt zu werfen. Dazu gehören das "Bilderbuch für Überlebende", das er 1947, noch ganz unter dem Eindruck der NS-Zeit stehend, veröffentlichte, aber auch Blätter mit Werbeaufträgen und Szenen aus dem Berliner Großstadtleben, die bedauern lassen, dass Schmidt nach dem Krieg nie mehr mit Farbe arbeitete. Als ihm der Knatterton zum Hals heraushing, schrieb er für die Quick von 1958 bis 1970 eine Reihe von Reisereportagen; auch von deren Illustrationen sind in Hannover ein paar Beispiele zu sehen.

8 / 9

Knatterton-Zeichner Manfred Schmidt:Nick-Knatterton-Bettspiel "Kombiniere", 1950er Jahre

-

Quelle: Wilhelm Busch – Deutsches Museum

Der größte Reiz der Ausstellung sind aber die "Nick Knatterton"-Seiten. Und das nicht etwa aus nostalgischen Gründen: Ihr Anblick ist vielmehr geeignet, die ästhetischen Qualitäten der Serie neu zu bewerten. Die vorliegenden Buchfassungen entsprechen ihnen in keiner Weise. Sie sind viel zu kleinformatig und in drucktechnischer Hinsicht unbefriedigend.

Erst die großformatigen Originale zeigen, welche Plastizität und Dynamik Schmidt seinen Zeichnungen durch den gleichzeitigen Einsatz von Tuschefeder, Lavierung und verschiedenen Stiften zu verleihen verstand. So verlässt man diese Ausstellung mit einem großen Wunsch: Nach so vielen "Nick Knatterton"-Ausgaben, die in den letzten Jahrzehnten verlegt wurden, möge es endlich eine geben, die diesem Pionierwerk deutscher Comic-Geschichte gerecht wird!

9 / 9

Knatterton-Zeichner Manfred Schmidt:Manfred Schmidt, Illustration zum Reisebericht "Zwei Koffer nach Kairo"

-

Quelle: Wilhelm Busch – Deutsches Museum

Nick Knatterton und andere Abenteuer - Manfred Schmidt zum 100. Geburtstag. Bis 21. April im Wilhelm Busch-Museum, Hannover. Als Katalog dient Eckart Sackmann: Oh, Nick Knatterton, im Comicplus Verlag, 39 Euro. Die Reisereportagen von Manfred Schmidt sind in einer Neuauflage im Lappan Verlag erschienen.

© SZ vom 6.01.2013/Süddeutsche.de/jufw
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: