Klimaproteste:Wir hoffen, eine Zeitenwende einzuleiten

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Das Foto des Astronauten Alexander Gerst vom 6. August 2018 zeigt die Trockenheit in Deutschland in einem der heißesten Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. (Foto: dpa)

Die Verantwortung für das Klima darf nicht nur auf den Schultern von Schulkindern lasten. Erwachsene müssen sich anschließen.

Intellektuelle und Wissenschaftler unterstützen den Aufruf von "Fridays for Future"

Die weltweiten Proteste der Schülerinnen, Schüler und Studierenden gegen die Tatenlosigkeit von Politik, Industrie und Gesellschaft angesichts des Klimawandels begannen am 20. August 2018. Da verweigerte die damals 15-jährige schwedische Schülerin Greta Thunberg (Foto rechts mit Schild) den Unterricht. Weltweit streiken seither jeden Freitag Kinder und junge Erwachsene. Am 15. März 2019, einem der bisher stärksten Aktionstage, sollen es fast 1,8 Millionen gewesen sein. In Deutschland gehört Luisa Neubauer zum Organisationsteam der "Fridays for Future"-Aktionen. Nach Meinung der Bewegung reicht es aber nicht mehr, dass nur die Generation handelt, deren Zukunft gefährdet ist. Hier unterstützen Intellektuelle und Wissenschaftler den Aufruf.

Am Freitag den 20. September werden wir auf Bitte der jungen Menschen, die rund um die Welt Schulstreiks organisieren, unsere Arbeitsplätze und Wohnungen verlassen, um einen Tag lang Maßnahmen gegen den Klimawandel zu fordern, die große, existenzielle Bedrohung der gesamten Menschheit. Es wird ein eintägiger Klima-Streik sein und der Auftakt zu einer Woche mit Klima-Aktionen auf der ganzen Welt. Wir hoffen, damit eine Zeitenwende einzuleiten. Und wir hoffen, dass sich uns viele Menschen anschließen und ihre Büros, Bauernhöfe und Fabriken verlassen; dass Politiker ihren Wahlkampf unterbrechen und Fußballstars ihre Spiele; dass sich Schauspieler abschminken und Lehrer ihre Kreide niederlegen; dass Köche ihre Restaurants schließen und für die Protestierenden kochen; und dass Rentner ihren Alltagstrott unterbrechen. Damit unsere führenden Politiker endlich diese Botschaft hören: Jeden einzelnen Tag verursacht unser Lebensstil eine ökologische Krise, die eine gesunde, sichere Zukunft auf unserem Planeten unmöglich macht.

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Wir sind uns wohl bewusst, dass dieser Streik und die internationale Klima-Aktions-Woche alleine am Lauf der Dinge nichts ändern wird. Die gute Nachricht ist, dass uns die Technologien zur Verfügung stehen, die wir brauchen - der Preis eines Solarpanels ist in den letzten zehn Jahren um 90 Prozent gefallen. Und wir wissen, durch welche politischen Maßnahmen sie wirksam werden: Überall auf dem Planeten sind Formen eines Green New Deal vorgeschlagen worden, Gesetze, die rasch fossile Energiequellen durch Energie aus Sonne und Wind ersetzen würden und dabei für gute Jobs sorgen, die lokale Wirtschaft stabilisieren und die langfristige Gesundheit von Kommunen unterstützen würden, die weithin vernachlässigt worden sind. Wir grüßen die Leute - viele von ihnen sind jung - die hart daran arbeiten, diese Maßnahmen gegen den hartnäckigen Widerstand der Industrie fossiler Brennstoffe durchzubringen.

Unser Fenster für wirksamen Klimaschutz schließt sich schnell

Dieser globale Aktionstag soll diese Leute unterstützen. Wir hoffen, dass Gruppen aus allen Bereichen des Umweltschutzes, des Gesundheitswesens, der Sozial- und Entwicklungshilfe sich anschließen werden. Aber unsere größte Hoffnung ist, einfach zu zeigen, dass die, die etwas gegen diese Krise tun und die, die schon jetzt am härtesten davon betroffen sind, von Millionen von Menschen unterstützt werden, an denen das wachsende Grauen über unsere ökologische Misere nagt, die sich aber bisher eher im Hintergrund gehalten haben. Es könnte ein paar Anläufe brauchen um diese Mengen auf die Straße zu bringen, aber wir haben nicht viel Zeit. Unser Fenster für wirksamen Klimaschutz schließt sich schnell.

Wir wissen, dass nicht jeder teilnehmen kann - auf einem Planeten, der von eklatanter Ungleichheit geprägt ist, kommen viele ohne den Lohn eines Tages buchstäblich nicht über die Runden, oder sie haben Chefs, die sie entlassen würden, sollten sie es wagen zu streiken. Andere Jobs lassen sich schlicht nicht unterbrechen: Notärzte sollten sich weiterhin ihren Aufgaben widmen. Aber viele von uns können ihre täglichen Routinen für 24 Stunden unterbrechen und sich trotzdem darauf verlassen, dass sie noch da sind, wenn sie zurückkehren.

Wir hoffen, dass einige Menschen den Tag dem Protest widmen: gegen neue Pipelines oder die Banken, die sie finanzieren; gegen Ölkonzerne und die Politiker, die deren Lügen weiterverbreiten. Wir hoffen, dass andere den Tag damit verbringen, die Wände am Nachbarhaus zu isolieren oder Radwege zu bauen. Wir hoffen, dass jeder zumindest ein paar Minuten im Stadtpark verbringt oder auf einem Feld oder auf dem Dach ihres Hauses, um sich einfach in die Schönheit der Welt zu versenken, die zu beschützen unser Privileg ist.

Der Schlüssel: unsere gewohnten Abläufe unterbrechen

Es liegt auf der Hand, dass wir viel verlangen: ein Tag im Leben der Welt ist eine große Sache und wir alle haben uns an unsere Routinen gewöhnt. Aber wir wollen uns nicht damit abfinden, dass die ganze Verantwortung auf den Schultern von Schulkindern lastet - sie brauchen unsere Unterstützung. Und der Schlüssel scheint darin zu liegen, unsere gewohnten Abläufe zu unterbrechen - es sind diese Routinen, die uns ermatten, der Umstand, dass wir jeden Morgen aufstehen und ziemlich genau dasselbe tun wie am Tag zuvor, sogar noch im Angesicht einer anhebenden Krise.

Wir sind die Menschen, die zufällig in einem historischen Moment leben, in der unsere Entscheidungen die Zukunft noch auf Zehntausende Jahre hin beeinflussen: wie hoch die Meeresspiegel ansteigen, wie weit sich die Wüste ausbreitet, wie schnell die Wälder abbrennen. Ein Teil unseres Wirkens muss darin bestehen, die Zukunft zu bewahren.

Bill McKibben, Autor, Pädagoge, Umweltschützer und Gründer von 350.org (USA), Christiana Figueres, ehemalige Geschäftsführerin der Klimarahmenkonvention der UN (Costa Rica), Naomi Klein, Journalistin (Kanada), Mark Ruffalo, Schauspieler (USA), Michael Mann, Klimaforscher und Geophysiker (USA), Margaret Atwood, Schriftstellerin (Kanada), Noam Chomsky, Sprachwissenschaftler, Philosoph, Kognitionswissenschaftler, Historiker, politischer Aktivist und Sozialkritiker,(US), Nancy Fraser, kritische Theoretikerin, Feministin, Professorin für Sozialwissenschaften und Philosophie (USA), Vandana Shiva, Wissenschaftlerin, Umweltaktivistin (Indien), Bruno Latour, Philosophieprofessor (Frankreich), Nnimmo Bassey, Health of Mother Earth Foundation (Nigeria), Rebecca Solnit, Schriftstellerin (USA), Farhana Yamin, Internationale Rechtsanwältin und Koordinatorin des politischen Teams von Extinction Rebellion (Großbritannien), Patrick Bond, Ehrenprofessor für politische Ökonomie an der Witwatersrand-Universität Johannesburg (Südafrika), Gina McCarthy, Expertin für Umweltgesundheit und Luftqualität, ehemalige Leiterinn der Umweltschutzbehörde (USA), Rev. Lennox Yearwood, Präsident des Hip Hop Caucus (USA), Valérie Cabanes, Schriftstellerin und Juristin (Frankreich), Annie Leonard, Geschäftsführerin von Greenpeace (USA), Aurélie Trouvé, Ökonomin, Attac France (Frankreich), John Holloway, Soziologe und Philosoph (Irland), Tadzio Müller, Klimagerechtigkeitsaktivist (Deutschland), Geneviève Azam, Ökonomin, Attac France (Frankreich), Anne Poelina, Traditionsverwalterin aus der Mardoowarra am unteren Fitzroy River, (Australien), Craig Challen, ehemaliger Australier des Jahres, Höhlenforscher, Tierarzt (Australien), Tim Flannery, Klimaforscher (Australien), Lesley Hughes, Klimaforscherin, Direktorin des WWF (Australien), John Hewson, Ehemaliger Parteivorsitzender der Liberalen Partei und Ökonom (Australien), Chris Taylor, Komiker (Australien), Tom Ballard, Komiker (Australien), Thomas Coutrot, Ökonom, Attac France (Frankreich), Maxime Combes, Ökonom, Attac France (Frankreich), Nicola Bullard, Klimagerechtigkeitsaktivistin (Frankreich/Australien), Heather McGhee, Seniorchef und ehemaliger Präsident der Denkfabrik Demos(USA), Rachel Carmona, Geschäftsführerin des Women's March (USA), Moema Miranda, Umweltaktivistin (Brasilien), Tomás Insua, Geschäftsführer der Globalen Katholischen Klimabewegung (Argentinien).

© SZ vom 24.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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