Kleinkunst:Musik für Connaisseure

Kleinkunst: Musikalisch tanzt Jens Fischer auf vielen Hochzeiten. Im Multiversum stellt er sein neues Soloprojekt "Wahn & Sinn" vor.

Musikalisch tanzt Jens Fischer auf vielen Hochzeiten. Im Multiversum stellt er sein neues Soloprojekt "Wahn & Sinn" vor.

(Foto: oh)

Das "Multiversum" in der Milchstraße in Haidhausen ist kaum größer als ein Wohnzimmer und dient eigentlich als Ausstellungsraum. Manchmal finden dort aber auch Konzerte statt - zum Beispiel mit Jens Fischer

Von Ralf Dombrowski

Musiker kennen Naomi Isaacs. Für viele ist die gebürtige Londonerin eine Konstante der Münchner Jazzszene, als Sängerin, Netzwerkerin und während des vergangenen Vierteljahrhunderts auch als Dozentin unter anderem des von ihr gegründeten New Vocal Centers. Von der Club-Bühne hat sie sich inzwischen zurückgezogen und überlässt der folgenden Generation die Herausforderung, sich vor Publikum zu bewähren. Was aber nicht heißt, dass Isaacs kein Podium mehr bräuchte. Denn statt selbst zu singen, hat sie sich auf Persönlichkeits-Coaching spezialisiert, nennt ihr System "Charismology" und braucht dafür Räume.

"Ursprünglich hatte ich einen Ort für Workshops in der Innenstadt gesucht", erzählt Isaacs. "Ich hatte Glück und konnte den Vertrag einer Malerin übernehmen, die sich ihren Arbeitsraum in der Milchstraße zusammen mit dem Münchner Literaturbüro geteilt hatte. Alles passte, es war eine Bühne vorhanden, außerdem gab es Leisten, um Bilder an die Wand zu hängen." Naomi Isaacs stieß zum Team der Haidhauser Kreativen-WG, gab Kurse und merkte schnell, dass an dem Ort noch mehr möglich sein könnte. Das war die Geburt des Multiversums, eines Konzertraums in Wohnzimmergröße, in dem seit Februar neben Ausstellungen, offenen Abenden und den Aktivitäten des Literaturbüros in unregelmäßigen Abständen Musik für Connaisseure im Miniaturrahmen präsentiert wird. Zum Einstand spielte Ecco Meineke mit einem Solo-Songwriter-Abend, seitdem folgten Kollegen wie Stefan Noelle, Geoff Goodman, Matthieu Bordenave und Sandra Hollstein.

An diesem Donnerstag, 21. September, könnte es nun im Multiversum eng werden, denn nach langer Pause kommt Jens Fischer wieder einmal nach München, um sein Solo-Programm "Wahn & Sinn" vorzustellen. Geboren in Pinneberg, groß geworden in Murnau und München, inzwischen aber Wahlberliner, gehört er zu den umtriebigsten Gestalten im Hintergrund der deutschen Musikwelt, als Gitarrist bei Konstantin Wecker, musikalischer Leiter der Berliner Blue Man Group, Produzent von Max Prosa, Tim Neuhaus und zunehmend auch als bereits mehrfach prämierter Komponist für Kurzfilme wie etwa "Stiller Löwe".

Nachdem Fischer sich mehrere Jahrzehnte vor allem für andere abgerackert hatte, entstand mehr und mehr das Bedürfnis, die Pflicht zugunsten der Kür hinter sich zu lassen. Zwar machen ihm die vielen Aufgaben nach eigener Aussage weiterhin Spaß, das Herzblut aber hängt nun an den eigenen Projekten, die er mit seiner Frau, der Sängerin Alexa Rodrian, oder eben als Solo-Künstler verwirklicht. So entstand auch "Wahn & Sinn" als Streifzug durch Erinnerungen und Gedanken, die Fischer über die Jahre beschäftigt haben.

"Es ist eine Mischung aus Lesung, Musik und Slam Poetry", sagt Jens Fischer. "Ich habe auch ein Mini-Keyboard und ein kleines Zirkusschlagzeug dabei, die ich an manchen Stellen einsetze. Letztlich mache ich aber das, was mir am liebsten ist: eine Mixtur aus vielen Ideen, die sich im Laufe der Jahre angesammelt haben. Sie verbinden sich zu einem theatralischen Abend mit einer dezenten Dramaturgie." Dafür ist Fischer über manchen Schatten gesprungen, hat beispielsweise seine Vorbehalte dem eigenen Gesang gegenüber hinter sich gelassen und mit der Wechselwirkung von Klang und Sprache experimentiert.

Fischer ist das Wagnis eingegangen, persönliche Themen wie die Trennung von einem langjährigen künstlerischen Partner in die Texte einfließen zu lassen, und ist damit aus der Deckung gekommen, die ihm seine bisherige Arbeit an den Mischpultreglern, Notenblättern oder auch als Koordinator von Ensembles geboten hatte. Es ist ein Experiment, aber genau dafür passt ein Raum wie das Multiversum. Denn mehr als höchstens 50 Zuhörer können sich dort nicht aufhalten. Es ist ein Rahmen, wie ihn auch Küchenkonzerte bieten, klein und nahezu privat.

Jens Fischer: Wahn & Sinn, Donnerstag, 21. September, 19.30 Uhr, Multiversum, Milchstraße 4

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