Klavierkonzert:Revolutions-Etüde

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Für Soheil Nasseri war das Klavierspiel in seiner Jugend eine Flucht aus den Alltagsproblemen. (Foto: Werner Schuering)

Die Karriere des iranisch-amerikanischen Pianisten Soheil Nasseri hat einen ungewöhnlichen Verlauf genommen. Nun tritt er zum ersten Mal in München auf

Von Rita Argauer

Soheil Nasseri rebellierte in seiner Jugend. Ziemlich. Er war ein Problemkind: ein Außenseiter in der Schule, der von seinen Altersgenossen gehänselt wurde und sich gegen Autoritäten auflehnte. Und der so ziemlich viel Zeit mit sich alleine verbrachte, auch weil die Eltern beide berufstätig waren. Doch der Ausdruck, den seine Rebellion fand, ist eher untypisch. Denn ein wenig ist der US-Amerikaner mit iranischen Wurzeln auch der perfekte Schwieger- und Enkelsohn, der als Kind Beethoven liebte, sich in seiner Pubertät den russischen Pianisten Jewgeni Kissin als Idol ersann und schließlich Musiker wurde.

Irgendwo ist das auch eine Art Rebellion, die sich Eltern nur wünschen können. Eine Biografie wie ein Bildungsroman, die schließlich zur feinsinnigen und ausgeglichenen Kunstausübung führt. Doch die Realität, der der heute 37-Jährige durch seine Musik entfliehen wollte, sah anders aus. Denn Nasseri hat es mit der Verweigerung eines bürgerlichen Lebenslaufes durchaus ernst gemeint. Aufgewachsen ist er in Santa Monica in Kalifornien und in Washington. Aufmüpfig sei er gewesen und verschlossen gegenüber seinen Mitschülern. Anschluss oder Freundschaften hat er kaum gefunden, er flog von diversen Schulen und brach die High School schließlich ganz ab.

Mittlerweile lebt Soheil Nasseri als klassischer Musiker in Berlin. Er spielt zwar ab und an etwas ungewöhnliche und schön eigenwillige Programme, hat aber sonst sein Revolutions- und Anti-Establishment-Ethos ganz offenbar abgelegt. Doch der Weg dahin blieb ungewöhnlich. Nasseri hat nie an einer Hochschule studiert. Im Alter von fünf Jahren hatte er begonnen Klavier zu spielen. Die Eltern, die nach der islamischen Revolution aus Iran in die Staaten ausgewandert waren, brachten ihm die klassische Musik früh nahe. "Ich kannte die Musik von zu Hause", erzählt er, für seine Eltern sei es in den Siebzigerjahren in Iran eine Art Rebellion gewesen, klassische Musik aus Europa zu hören. Nasseri habe diese Stücke spielen wollen, er beschreibt Beethoven als seinen "Kindheitshelden". Doch er übte nicht viel und spielte auf mäßigem Niveau. Bis er Kissin entdeckte und mit 13 Jahren in typisch pubertärer Fixierung begann, dem Idol nachzueifern - was zu marathonartigem Klavierspiel führte.

Dass Musik pubertierenden Kindern beim Rebellieren hilft, ist nichts Neues. So auch bei Soheil Nasseri, dessen Jugendzeit eher so verlief, als sei er der Frontmann einer Punkband gewesen: ein Schulabbrecher, der sich schon aus seiner antiautoritären Haltung heraus weigerte, eine Hochschule zu besuchen: "In meiner Kindheit ist alles schief gegangen", erzählt er, mit 20 Jahren habe er sich schließlich nicht vorstellen können, jemals wieder eine Schule zu besuchen, obwohl er ohne Schulabschluss aufgrund seiner Begabung zum Musikstudium zugelassen worden wäre.

Soheil Nasseri wählte einen ungewöhnlicheren Weg: Er zog nach New York und hatte mit einem Stipendium die Möglichkeit, sich privat von Karl Ulrich Schnabel unterrichten zu lassen. Die Liebe zu Beethoven blieb, er hat sich vorgenommen, all dessen Werke für Klavier vor Beethovens 200. Geburtstag im Jahr 2020 aufgeführt zu haben. Das Programm seines München-Debüts an diesem Dienstag ist dementsprechend ungewöhnlich: Beethovens Variation zu "God save the King" treffen auf Liszt Klavierbearbeitung von Beethovens Fünfter.

Soheil Nasseri , Di., 29. Sep., 20 Uhr, Kleiner Konzertsaal, Gasteig, Rosenheimer Str. 5

© SZ vom 29.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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