Münchens Pianistenkultgemeinde war wieder gut vertreten im Herkulessaal. Denn diesmal kam Nikolai Tokarev mit Rachmaninow und einem maßgeschneiderten Ensemble: dem National Philharmonic Orchestra of Russia. Sein Leiter Vladimir Spivakov gehört zu den ersten und intensivsten Förderern von Tokarev, der hier in München mit 17 Jahren das erste Mal auftrat. Wie sympathetisch ihr Musizieren ist, zeigte sich gleich im ersten Satz von Rachmaninows berühmtem zweiten Klavierkonzert. Wenn sich das schwüle Klangparfüm nach den ersten acht Akkorden des Klaviers im Orchester mit dem Hauptthema schwelgerisch ausbreitet, dann treffen sich auch die russischen Seelensphären im spätromantischen Idiom des Landsmanns.
Im zweiten Satz allerdings ging das Einvernehmen bis zur restlosen Fusion. Denn nach den elegischen E-Dur-Adagio-Lyrismen verschwand das Klavier bei den beiden Forte-Höhepunkten glatt im brausenden Orchesterjubel. Dafür funktionierten die Dialoge im Finalsatz perfekt, und wer dort vielleicht zwischen Filmmusik-Ambiente und virtuosen Läufen etwas Substanz vermisste, der wurde durch Tokarevs Farbenkünste am Steinway entschädigt - womöglich eine Frucht seiner intensiven Beschäftigung mit französischer Musik.
Am schönsten und sensibelsten aber entfaltete er sie dann in seiner Zugabe, einem mondänen Prélude von Rachmaninow. Weil der ein Bewunderer Tschaikowskys war, passte dann dessen fünfte Sinfonie gut als glanzvolles Finale des Konzertabends. Spivakov führte uns die "russische" Klangpalette des Orchesters mit seiner dunkeltimbrierten Grundierung und der expressiven Bläserkultur vor und einen Tschaikowsky, dessen Melodramatik er "con anima" erfüllte, das Pathos mit Andacht und die nervösen Erregungszustände mit viel Dramatik. Mit drei Zugaben zeigte er dann aber die ganze Ausdrucksspannweite des Eliteensembles, von raffiniert über manieriert bis schmissig.